Nach 30 monatiger Dauerschwangerschaft- nein, ich bin keine Elefantenkuh, es waren lediglich 3 rasche Folgeschwangerschaften-, hatte ich absolut genug davon schwanger zu sein. Ich wollte endlich meinen Körper wieder für mich haben. Ich wollte sitzen ohne Hämorrhoiden, Tiramisu in Unmengen essen, auf dem Bauch schlafen, gegen Türklinken rennen und andere Tollpatschigkeiten - ohne schlechtes Gewissen und vor allem wollte ich meine Neugierde nach dem oder den Bauchbewohner/n endlich gestillt wissen. Zur Strafe stänkerte mich mein Körper 20 Tage lang mit vielen Vorwehen und Fehlalarmen, bis es dann bei ET+2 endlich so weit war...
Durch die vielen fehlinterpretierten Vorwehen der letzten Tage nahm ich die Zeichenblutung am Morgen nicht wirklich ernst und war genervt von den unregelmäßigen Wehen, die sich über den Tag erstreckten. Wir versuchten dennoch den Spagat zwischen Kräfte schonen und Wohnung auf dem Punkt halten und haben, während Puppenmausis Mittagsschlaf einen Baby-Komm-Endlich-Raus-Hier-Duftet-Es-Gut-Kuchen gebacken. Der seit langem schönste und leckerste Kuchen mit Apfelmus-Vanillepudding und Mandarinen... Blieb zu diesem Zeitpunkt aber unangeschnitten. Wir entschieden nämlich, ihn erst nach der Geburt zu essen - nach dem Motto: Mal sehen, ob du diesen schönen Geburtstagskuchen wirklich erst Moos ansetzen lässt, oder lieber ein braves Baby bist und schlüpfst ;o).
Am Abend, gegen Acht, rieb ich mir aus lauter Schwangerschaftsfrust ein riesen Stück Ingwer, ungefähr doppelt so dick und lang wie mein Daumen und mischte dies mit Zitrone und Zucker. Mein Hals brannte höllisch, als ich einen Löffel nach dem anderen binnen Sekunden in meinen Schlund schob aber der Schmerz war angenehmer als der Druck meiner Hämorrhoiden und mein Ich-mag-nicht-mehr-schwanger-sein-Blues. Als dann eine Stunde später auch die beiden großen Mäuse in ihren Betten lagen, begannen - bei ungestörtem Neokortex - punkt 21 Uhr stärkere und häufigere Wehen und die Hoffnung, dass wir heute noch kuscheln dürfen, stieg. Nachdem wir, meine Geburtshelferin Lil und ich, bei der Puppenmaus´schen Alleingeburt eine DVD Doppelfolge geplant und nicht geschafft hatten, hatten wir uns diesmal nichts so Komplexes vorgenommen, sondern nur nebenbei eine Folge Schwarzwaldklinik bei YouTube reingeladen. Die wunderschöne Natur des Schwarzwaldes und die altbekannte Titelmusik taten mir gut. Sobald ich aber lange saß und entspannt schaute, wurden die Wehen weniger und schwächer. Da ich doch aber endlich mein Ü-Ei im Arm halten wollte, tigerte ich durch die Wohnung. Zur einen Seite in die Küche rein, durch die andere Tür wieder raus, durchs Wohnzimmer einen Bogen zurück und wieder durch die Küche. Dabei affte ich herum... Seitwärtsschritte, Kaffeebohnen und tankte noch ein paar letzte Blicke im Vorbeigehen von meinen Babybauch im Küchenspiegel. Natürlich blieb Letzteres nicht unbemerkt und meine Lil schoss noch ein paar Erinnerungsfotos für uns. Als ich meine Wohnungswanderung fortsetzte, musste ich dann immer wieder von meiner Küchen-Wohnzimmer-Route abdriften und einen Abstecher ins Badezimmer machen.
Ich war froh, dass sich mein Darm diesmal vorab entleerte, da ich Lil die Sauerei später ja gern ersparen wollte. ;o) Auf dem Klo hatte ich einige heftige Wehen und totalen Schüttelfrost. Unter Zähneklappern klang mein tiefes Ein- und Ausatmen wohl schmerzhafter und übergangsphasiger, als es tatsächlich war, sodass sie nach mir schauen kam. Zusammen entschieden wir, dass ich mich noch mal duschen gehe und sie half mir in und aus der Wanne.
Zurück im Wohnzimmer folgten weitere Wehen, die ich dann schon recht schmerzhaft fand. Die Wehenpausen waren zu kurz geworden und immer häufiger hockte ich vor dem Sofa, zitterte und fröstelte. In den kurzen Pausen legte ich mich immer wieder aufs Sofa, auf meine linke Seite und flüchtete in den Schwarzwald - nicht aber in die (Schwarzwald)klinik ;-P. Dreiviertel Elf wachte dann die Puppenmaus auf und wunderte sich, dass ihre Mami nicht, wie gewohnt, längst neben ihr im Zeltbett lag. Ich blieb auf meiner linken Seite liegen und bekämpfte den Schüttelfrost, während Lil, zu ihr ging, ihr eine frische Windel und etwas zu trinken gab und einige Momente mit ihr kuschelte. Ich hob meinen Kopf, um zu lauschen, ob die Puppenmaus nach mir verlangte oder schon fast wieder schlief, als es in meinem Bauch ein Plopp gab und etwas Fruchtwasser auf das unter mir liegende Handtuch lief. - Ha, wir waren guuuut vorbereitet, diesmal hatten sich die Latexlaken auf Bett und Sofa also gelohnt! ;o) Ich rief “Die Fruchtblase ist geplatzt. Schau bitte auf die Uhr!”. Lil erklärte der Puppenmaus, dass sie jetzt zu mir zurück muss, ”weil Mami jetzt unser neues Baby bekommt” und ob es an der Müdigkeit lag oder sie es verstand - legte sie sich schlagartig zurück, schloss ihre Augen und schlief wieder ein.
Die Fruchtblase war also 22.50Uhr geplatzt und nun rätselten wir, ob unser Baby noch vor oder nach Mitternacht das Wohnzimmerlicht erblicken würde. Nach Mitternacht hätten Lils Papa und dessen Zwillingsbruder Geburtstag. Das Datum wäre also irgendwie mystisch gewesen, da wir ja die ganze Zeit nicht sicher waren, ob sich wirklich nur ein Baby in meiner Einraumwohnung befand.
Lil wollte nun die Schwarzwaldklinikmitarbeiter in den Feierabend schicken und das Netbook ausmachen - ich bekam sowieso nichts mehr davon mit, da die Wehenstärke nach dem Platzen der Fruchtblase deutlich gestiegen war- aber ich konnte nicht mehr allein sein. Ich bettelte und flehte sie an, ja nicht von meiner Seite zu weichen. Dabei war das Netbook wirklich nicht weit weg aber immer wenn sie versuchte, den Knopf zu erreichen, schrie ich sie an “Bleib bei mir! Bleib bei mir! Geh ja nicht weg!”
Ich erinnerte mich daran, dass bei der Geburt der Puppenmaus ein leichtes freiwilliges Mitschieben die Schmerzen erträglicher machte und versuchte, meine guten Erfahrungen zu
nutzen. Irgendwie fiel es mir aber schwer, loszulassen... Ich wollte einen Eimer aus dem Badezimmer, auf den ich mich hocken und somit besser loslassen konnte und bat Lil, mir einen zu bringen. Sie grinste und antworte mir, dass sie dazu aber von mir weg gehen müsste und zwar viiiiel weiter, als nur bis zum Netbook. Ich lies sie gehen... jammerte inzwischen schrecklich vor Einsamkeit.
Aber es lohnte sich. Immer, wenn die Wehe zu schmerzhaft wurde, setzte ich mich nun auf den Eimer und schob kräftig nach unten mit. Das klappte super, denn endlich konnte ich auch Pippi machen ohne mir meinen Kopf über die Sauerei zu zerbrechen. ;o)
Und dann ging alles ganz schnell, plötzlich die erste Presswehe. Eimer schnell beiseite. Ich hockte, wie bei der Puppenmaus, auf dem Fußboden, mein Oberkörper gestützt auf unser Sofa, krallte mich in den Knäuel von übergroßer Biberdecke und biss hinein... Meine Beine streckten sich plötzlich und ich ging aus der Hocke, während des Pressens, instinktiv in den Stand über. Der Kopf rutschte bis zur Nase heraus und fluppte anschließend zurück. Die nächste Presswehe direkt hinterher. Ich gab alles. Der Kopf kam nun komplett. Ich schrie, jammerte, quiekte und quietschte ganz Berlin zusammen, immer noch festgekrallt an meine Biberdecke, sie mir geräuschdämmend vor den Mund pressend (als ob das irgendwas bringt). Es brannte höllisch und ich hörte nicht mehr auf "Zieh es raus! Zieh es raus! Zieh es raus!" zu rufen bis mein Engel Lil zugriff und, da ich ja immer noch stand, von Kopf bis Fuß mit Käseschmiere, Fruchtwasser und Blut getränkt, unser Baby auffing. Sie ist ja nur 146cm klein und so regnete es ein Baby mit Käseschmiere, Fruchtwasser und Blut für sie vom Himmel. (Dieser Moment aus Lils Sicht: Ich hocke hinter ihr und kann absolut nichts sehen. Es ist viel zu dunkel unterm Esstisch. “Warum muss sie ausgerechnet hier hocken? Da, wo die Puppenmaus geboren wurde, ist doch viiiel mehr Platz! Ich bin vielleicht klein - aber ich pass nicht unter den Esstisch.” Endlich komme ich auf die Idee, die Küchenlampe anzuknipsen und um die Ecke zu leuchten. Als ich wieder hinter ihr hocke, steht sie plötzlich auf. Völlig unerwartet. “Oh. Ah. Ich kann etwas sehen. Juhu. Bei der Puppenmaus war sie viel weiter eröffnet, als das Baby kam. Da war das ein richtiger Tunnel, in den man schauen konnte und dabei zusehen konnte, wie sich das Baby durchkämpfte. Das dauert sicher noch etwas. Oh, da ist der Kopf. Es dauert doch nicht mehr lange. Sieht nach einem Jungen aus. Weg ist er wieder. Zieh doch den Kopf nicht wieder rein! Menno.” Dann kam der Kopf im ganzen und “was soll ich????? Es rausziehen??? Ahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh! Überforderung! Hilfe! Aber lass es dir nicht anmerken! Kein Ton. Sag nicht, wie überfordert du dich gerade fühlst. Gott sei Dank ist ihr Kopf in der Biberdecke und sie sieht mein verdutztes Gesicht nicht. Wie machen die das immer in den Geburtsvideos? Unterm Kinn. Nein, so mag ich das nicht. Ich fass hinten am Nacken an. Flutsch, ich hab doch kaum gezogen, da ist es. Es ist wunderschön, es atmet und lebt. Blick zwischen die Beine. Ein Junge. Tatsächlich. Und er grinst. Er grinst mich an. Ich bin mir ganz sicher. Lacht er mich aus oder an? - Vielleicht wegen der Fruchtwasserdusche, die er mir gerade beschert hat. “Willkommen im Leben kleiner Mann!” begrüßte ich ihn und gab ihm einen Kussi auf seinen zauberhaften Mund.)
“Gib es her. Gib es her!” schrie ich. Völlige verbale Entgleisung. Man könnte auch “Darf ich es bitte haben” oder “Gib es mir bitte” sagen oder es sich einfach liebevoll nehmen,... aber diese Schmerzen bei KU 36cm, 51+cm und 4200gramm mögen es rechtfertigen. ;o) Lil nahm mir das auch nicht übel, sie lächelte nur und zeigte mir den Kopf. Ein fragendes “und, wie siehts aus?” und ich antwortete “Nach einem Jungen. Nicht nach einem Fritz, sondern nach einem *****. Nach einem schnöseligen *****-********” und sie nickte nur zustimmend. Sowohl für das Junge, als auch für die Namenswahl. Dann gab sie ihn mir und ich begrüßte meinen kleinen Mann. Begeistert lauschte ich seinem Atem, da er ja zu keiner Zeit weinte bzw. schrie und man da durchaus zweifeln könnte. Aber nein, er lebte und atmete ganz fein, er war einfach nur völlig relaxxt. Eben ein echter Sonntagsjunge. Dann fragte ich nach der Uhrzeit und wir fanden heraus, dass es nur ein Baby ist und dieses nicht zum Zwillingsgeburtstag geboren wurde. ;o) 42 Minuten nach dem Platzen der Fruchtblase war er also da - der kleinste der 4 Mäuse, der, seinen Maßen zufolge, mal der größte der vier Mäuse werden würde. Bestimmt sogar der größte von uns Wirzweisechsen...
Ein Sofort-nach-der-Geburt-Foto konnten wir dann leider nicht machen, denn Lil war ja voller Käseschmiere und Fruchtwasser und ich sah ohnehin aus, wie beim Schlachter gewesen. Blut ronn meine Beine herunter, der kleine Kaiser selbst war auch voller Blut und üüüüüüberall war dieses Fruchtwasser-Käseschmiere-Blut-Gematsch. Quer durch das ganze Wohnzimmer. Mit der Nabelschnur verbunden, lag ich dann mit ihm eine Weile auf dem Laminat, kuschelte ihn, zugedeckt mit Handtüchern. Lil entledigte sich ihrer klitschnassen Klamotten und lachte herzlich, während sie sich die Käseschmiere aus dem Gesicht und ihre Hände wusch und machte dann ein erstes Foto von uns.
Nach einer halben Stunde hatte ich keine Lust mehr auf die Plazenta zu warten, denn ich wollte mich wieder wohlfühlen, was mir mit dem Gematsch an den Beinen und durchs Kuscheln auch auf der Brust und dem Bauch nicht gelang. Überall klebte ich und alles war inzwischen eingetrocknet und eingebranzelt. Wir entschieden, die Nabelschnur zu durchtrennen, damit ich mich frei bewegen kann - entweder um die Plazenta zu gebären oder um mich eben wenigstens so erstmal sauber zu machen. Die Nabelschnur war bereits auspulsiert und abbinden sparten wir uns diesmal komplett, schnitten sie nur mit der selben Schere, wie bei der Puppenmaus, durch.
In verschiedenen Positionen drückte ich, aber die Plazenta wollte nicht kommen. Leichter Zug an der Nabelschnur - schien noch sehr fest. Also ging ich duschen. Es war toll, sauber zu sein und oh wunder, ich war auch nicht verletzt und das bei diesem Brummer. Einfach herrlich diese freie Geburtspositionswahl und die Entspannung zu Hause! Inzwischen wusch Lil auch den Kleinen. Eigentlich wollten wir ihn ja nicht sofort waschen, die Käseschmiere einziehen lassen, aber so verkrustet wie er nun war, hatten wir keine wirkliche Wahl. Nach dem Baden bekam er die selben Erstlingssachen an, wie die Puppenmaus (ha, der Vorteil, wenn man kein rosa kauft! Ich liiiiebe diese Vergleichsfotos ;o)) und wir sahen daran erstmal wie grooooß er im Vergleich zu ihr war.
So laut wie ich beim Austritt des Kopfes geschrien hatte, dachte ich eigentlich, dass die 3 Mäuse wach sein müssten... Pustekuchen. Die beiden Großen schliefen und die kleine Puppenmaus, nun auch große Schwester, ebenso. Lil weckte die beiden Großen zum Begrüßen. Die Puppenmaus wollten wir schlafen lassen, waren froh, dass sie so perfekt zur Geburt geschlafen hat. Am Gesicht ließen wir die beiden einzeln raten, welches Geschlecht unser Baby hat. Beide lagen richtig und unser bislang Hahn im Korb freute und freut sich ein Loch in den Bauch, dass er endlich männliche Verstärkung hat.
Inzwischen war es spät geworden und wir wollten ein paar Augenblicke schlafen. Leider war die Plazenta noch nicht da und so richtig abschalten konnte weder Lil noch ich, solange die noch in mir war. Also stand ich nochmal auf und versuchte die Plazenta rauszupressen. Nichts. Hm. Ich wollte mich gerade damit abfinden und eben doch so schlafen, musste nur noch mal Pippi... da rutschte sie, ganz ohne zu drücken, mit heraus. Puh, endlich. Danach konnten wir endlich ein paar Momente duseln,... bis dann die Puppenmaus aufwachte. Sie realisierte sofort was Sache war. IHR Bruder wurde an jeder Körperstelle abgeknutscht, die sie zu fassen bekam. Das war sooooo herzallerliebst und ist es auch immer noch. Selbst wenn ich auf dem Netbook nur ein Foto von ihm geöffnet habe, wird dann eben der Bildschirm abgeschlabbert. IHR Bruder. Mission nahe Geschwisterplanung - jmd. zum kuscheln, spielen, später gemeinsamer Schulweg etc., GELUNGEN.
Die Anmeldung im Standesamt klappte nicht auf Anhieb. Eine Mitarbeiterin wollte uns sagen, dass sie sich strafbar macht, wenn sie ein Baby beurkundet, welches ohne Arzt und Hebamme geboren wurde. Hihi. Ihre Kollegin, die schon die Puppenmaus beurkundete, hat es dann aber nachgeholt. Wie ihr seht, sind das alles Kann-Bestimmungen. Eine kann, die andere nicht ;o).
So, genug Lesestoff, nicht wahr? Ich grüß euch ganz lieb und wünsche euch noch einen sonnigen Tag.
Ich stell den Bericht später noch bei Üblia ein. Vielleicht mit der Headline “Plazenta auf Toast” - sorgt für Leser und Aufmerksamkeit für die Alleingeburt?! ;-P Ganz unten schreib ich dann: Plazenta auf Toast? Hab ich nicht gegessen. ;-P