Die Geburt meines Sohnes ist schon eine Weile her, vielleicht mögt ihr sie ja trotzdem lesen...
In meiner ersten Schwangerschaft hatte mich nicht gerade intensiv mit dem Thema Geburt auseinandergesetzt, nur einen üblichen Geburtsvorbereitungskurs gemacht und ansonsten wollte ich alles auf mich zukommen lassen. Ich verkrampfte total während der Wehen, die Fahrt ins Krankenhaus, die ungewohnte Umgebung und das Krankenhauspersonal machten es auch nicht besser. Ich hatte furchtbare Schmerzen und eine rasant schnelle Geburt mit mittelschweren Geburtsverletzungen. Ich war nach der Geburt so erschöpft, dass ich tagelang nicht weiter als ein paar Meter laufen und auch nicht lächeln konnte. Mein Sohn wurde an seinem zweiten Lebenstag wegen Gelbsucht und zu starker Abnahme auf die Neonatale Station verlegt, wo ich ihn nur alle vier Stunden stillen konnte. Ich war die meiste Zeit im Krankenhaus den Tränen nahe und verzweifelt. Unsere Still- und Mutter-Kind-Beziehung begann eigentlich erst so richtig als wir nach sechs Tagen endlich nach Hause entlassen wurden. Ich konnte nie verstehen, wie Frauen von einer Geburt positiv sprechen konnten, oder sie gar als schön bezeichneten. Zum Glück hat sich das heute geändert.
Als ich im Juli 2012 wieder schwanger wurde stand fest, dass diese Schwangerschaft anders als die erste werden sollte – nein musste. Ich versprach mir also selbst, nicht wieder so massiv Gewicht zuzunehmen (gerade hatte ich mein Vorschwangerschaftsgewicht wieder erreicht) und suchte nach Wegen, wie die Geburt ein weniger traumatisches Erlebnis für mich werden konnte (ja, weniger traumatisch hätte mir zu diesem Zeitpunkt schon gereicht). Ich beschäftigte mich intensiv mit Hypnobirthing. Das veränderte meine Sicht auf Schwangerschaft und Geburt grundlegend. Dass beides kein medizinische Großereignis sein muss, dass eine Geburt auch nicht (übermäßig) schmerzhaft sein muss, all das wurde mir erst wirklich durch dieses Buch klar. In der gesamten Schwangerschaft verschlang ich alle Literatur zum Thema und wurde immer kritischer gegenüber der interventionsbasierten Krankenhausgeburt.
Schließlich entschied ich mich, meinen Sohn zu Hause betreut von meinem Hebammenteam zur Welt zu bringen. Der errechnete Geburtstermin war der 30. März 2013 und da ich meinen ersten Sohn vier Tage übertragen hatte, hatte ich nicht damit gerechnet, dass es vor dem Termin losgehen würde.
In der Nacht vom 26. auf den 27. März hatte ich die ganze Nacht Wehen, nicht intensiv, nicht oft, aber merklich. Und sie waren auch ein wenig schmerzhaft, trotz Entspannungs- und Atemtechnik zog es während der Wehe im Unterleib wie ein leichter Regelkrampf. Ein wenig enttäuscht war ich schon, hatte ich mir doch grade für die Eröffnungsphase absolute Schmerzfreiheit erhofft. Ich dämmerte die ganze Nacht über immer wieder weg, wurde aber auch wieder wach oder baute die Wehen in meine Träume ein.
Am Morgen des 27. März machte ich unseren großen Sohn für den Kindergarten fertig, wo ihn mein Mann dann hinbrachte. Während ich beschäftigt war, waren die Wehen verschwunden, kamen aber wieder als ich mich ausruhte, nachdem die beiden weg waren. Ich versuchte aber, mir nicht allzu große Hoffnungen zu machen, dass es tatsächlich losgehen könnte und beschloss ein Bad zu nehmen. Und siehe da – die Wehen verschwanden, was ich als Zeichen deutete, dass es lediglich Übungswehen waren.
Ich genoss ein wenig die Zeit ohne Wehen und stieg nach einer halben Sunde wieder aus der Wanne. Die Wehen kamen wieder, waren aber so stark, dass ich nicht essen und noch einen Mittagsschlaf machen konnte. Als nachmittags die Wehen immer noch da waren, nicht aber stärker oder regelmäßiger wurden, war ich allmählich leicht genervt. Ich wartete auf die Ankunft meines Mannes und meines Sohnes, die nach Arbeit und Kindergarten noch einkaufen gingen. Ich hoffte, dass wenn ich einmal wieder etwas Ablenkung bekäme, die Wehen verschwinden würden, wie schon am Morgen.
Als die beiden schließlich kamen, blieben die Wehen und wurden langsam regelmäßiger. Ich erzählte meinem Mann davon und wir berieten, wie wir weiter machen sollten. Nachdem mein Mann mich eine halbe Stunde beobachtet hatte (“Hast du das denn schon die ganze Zeit SO?”, mit das meinte er natürlich die Wehen und mit SO meinte er, dass ich bei jeder Wehe beinahe unwillkürlich in mich ging und nicht weiterredete, ohne aber zu vertönen), fand er, wir sollten meine Mama anrufen und sie fragen ob sie den Großen holen könne. Leider war sie aber gerade unterwegs und so entschlossen wir uns, ihn ins Bett zu bringen und falls es doch ernst werden würde zu unseren Nachbarn zu bringen die er gut kannte und die selbst einen Sohn in seinem Alter hatten.
Während mein Mann also unseren Sohn ins Bett brachte, tippte ich noch eine Mail an meine Schwester und gratulierte ihr zum Geburtstag. Ich schrieb, dass es immer noch ruhig sei, und genauso fühlte es sich auch an. Ich spürte die Kontraktionen, aber sie waren nicht schmerzhafter als ein leichtes ziehen, so wie auch in der Nacht zuvor. Ich war ruhig und begann die Hynobirthing-CD zu hören, die ich schon seit der zwanzigsten Woche regelmäßig zur Entspannung benutzt hatte. Als mein Mann schließlich wieder kam und mein Sohn schlief, legten wir uns ins Bett wo ich mich aber bald nicht mehr wohl fühlte. Ich begann in der Wohnung herumzulaufen, mit meinen Kopfhörern auf dem Kopf, meiner Hypnobirthing-CD in den Ohren. Ich ließ die Badewanne voll Wasser und legte mich hinein. Die Kontraktionen kamen häufiger, kamen mir aber sehr leicht und kurz vor, weshalb ich noch immer nicht an den Start der Geburt glaubte. In der Wanne entspannte ich mich immer mehr und ab diesem Zeitpunkt, es wird gegen neun gewesen sein, verlor ich jegliches Zeitgefühl.
Als mein Mann unseren Sohn um zehn dann doch zu unseren Nachbarn herunter brachte, und sich bei seiner Wiederkehr für seine lange Abwesenheit entschuldigte, da war ich verwundert; war er doch in meinen Augen nur einen Moment weggewesen. Ich merkte, wie das gedämpfte Licht und die wiederkehrenden Affirmationen der CD mir halfen, mich immer weiter zu entspannen und ich spürte die Wehen tatsächlich mehr als Wellen denn als Kontraktionen und sie schienen nicht schmerzhaftet zu werden, im Gegenteil. Auch war ich absolut leise, ganz anders zu meiner ersten Geburt. Bei jeder Wehe schloss ich die Augen und überlies meinem Körper die Arbeit. Ich tauchte tief in mich selbst hinein und war nicht in der Lage mit der Außenwelt zu kommunizieren. Nur kurz verlor ich meinen Fokus während ein oder zwei Wehen und bemerkte sofort, dass Anspannung und damit der Schmerz merklich zunahmen. Ich konnte mich jedoch gegen meine aufsteigende Angst behaupten und zurück in die Entspannung gehen, was den Schmerz augenblicklich linderte.
Es muss kurz vor Mitternacht gewesen sein als wir beschlossen, unsere Hebamme zu rufen. Erst da war ich überzeugt, dass die Geburt wirklich losgehen und wir nicht sie nicht umsonst wecken würden. Mein Mann rief sie an und sie kam innerhalb einer viertel Stunde. Sie tastete vorsichtig, und erst nachdem sie mich um Erlaubnis gebeten hatte, meinen Muttermund, der bereits sieben bis acht Zentimeter eröffnet war. Ich war schon so weit! Erstaunlich. Als ich circa zwanzig Minuten vor eins sagte, dass ich glaubte, er würde jetzt geboren werden, realisiert mein Mann zum ersten Mal, dass die Geburt bereits so weit fortgeschritten war. Ich gab die Kontrolle vollständig an meinen Körper ab und innerhalb von drei Wehen war mein Sohn ohne das sonst übliche “Pressen” um 0:51 Uhr geboren. Mein Mann war überwältigt, meine Hebamme, die auch über den Verlauf der Geburt staunte, half mir, ihn aus der Wanne zu nehmen und ich legte ihn auf meine Brust. Ich war unglaublich glücklich. Mein Sohn war sehr still aber rundum gesund und begann schon bald selbständig nach der Brust zu suchen. Nachdem die Plazenta geboren wurde, schnitten wir die Nabelschnur durch und kuschelten uns dann in unser Bett, wo wir noch ein paar Stunden schliefen bevor am nächsten Tag unser Großer seinen kleinen Bruder begrüßte.