Bitte nicht erschrecken, das wird ein langer Bericht für eine eigentlich kurze Geburt. Das Kleine wird unser 3. lebendes Kind sein und darf nach zwei traumatischen Krankenhausgeburten (siehe
http://www.hausgeburtsforum.de/viewtopic.php?f=39&t=915) zuhause zur Welt kommen. Bis dahin war es für mich ein sehr langer Weg mit viel an Aufarbeitung vor der Schwangerschaft und nochmals vielen Ängsten und Zweifeln während der Schwangerschaft. Hier gilt mein großes Danke an meine Hebamme M., die mir zu einer lieben Freundin geworden ist und die Vieles mitgetragen und aufgefangen hat. Mit diesem Bericht kann ich Frauen hoffentlich Mut machen, die eine ähnliche Vorgeschichte haben, dass es sich lohnt auf die innere Stimme zu vertrauen, den Glauben an sich und die Fähigkeit gebären zu können nicht zu verlieren und den eigenen Weg zu finden und zu gehen.
ET 11.12.2013 und alles ist ruhig – ich fühle mich die letzten Tage gar nicht mehr nach Geburt. 12.12.2013 – irgendwie ist der Tag komisch, mein Darm rumort und ich muss mich mehrmals entleeren, Baby bewegt sich sehr wenig und der Bauch ist fast ständig hart, aber schmerzfrei. Abends erzähle ich meinem Mann davon und man sieht an seinem Blick, dass er das Gleiche denkt wie ich „vielleicht geht es heute Nacht los?“, aber keiner traut es sich auszusprechen. Gegen 23 Uhr gehen wir schlafen und um 2.45 Uhr weckt mich die erste Wehe, die ich gleich laut beatmen muss. Ich beschließe so lange wie möglich liegen zu bleiben, die Wehen zu ignorieren und Kraft zu sammeln. Aber bereits die nächste Wehe lässt mich aus dem Bett „springen“. Vor der Geburt wußte ich noch nicht, welches mein Geburtsraum sein sollte, aber nun zog es mich eindeutig ins warme Bad. Die nächste Wehe muss ich bereits auf der Waschmaschine aufgestützt vertönen, wow, ein Blick auf die Uhr verrät einen Abstand von 3 Minuten. Hm, ich glaube, jetzt wird es ernst. Ich gehe ins Wohnzimmer, um meinen Geburtskiste und den Schnabelbecher, übrigens eine Super-Erfindung für unter der Geburt, zu holen. Die Wehen nehmen an Fahrt auf, kommen schneller und werden länger, ich töne und stütze mich auf der Waschmaschine ab. Scheiße, die tun so im Rücken weh

. Scheiße und diverse Schimpfworte werden übrigens Wörter sein, die im Laufe der Geburt noch öfters äußere,

. Ich fühle mich bzgl. der Rückenschmerzen an die Worte von M. erinnert, dass dies bei Sternenguckern meist so sei. Wir vermuteten ja vor der Geburt, dass sie ein Sternengucker werden könnte, da ihre Lage während der Schwangerschaft bereits hartnäckig so war. Nach einer halben Stunde überkam mich der Wunsch nicht mehr alleine zu sein, sondern Unterstützung zu bekommen. Kaum gedacht habe ich meinen Mann geweckt und im Anschluss meine Hebamme angerufen. Seltsam, eigentlich hatte ich geplant so lange wie möglich alleine zu sein… Während des Telefonats war ich noch relativ entspannt, musste zwar zwischendrin tönen, aber auf die Nachfrage, ob sie noch duschen und die Hebammenschülerin abholen könne, antwortete ich spontan mit „Ja, klar“. Fahrtzeit von M. war ungefähr eine Stunde – bitte melde dich, wenn sich etwas ändert, sie versuche dann zu fliegen. Okay. Eine Wehe nach der Anderen kommt, ich habe das Gefühl, dass mein Rücken zerbricht, das Becken brennt und mein Mann muss bei jeder Wehe fest gegen das Kreuzbein drücken. Dann kommt eine Wehe, die mich auf alle viere sinken lässt, der Druck in der Aufrechten ist zu viel. Mein Mann holt den Pezziball, wir vergessen die extra gerichtete Matratze für meine Knie (ich kann zwei Tage lang nicht mehr knien) und ich lehne mich darüber. Aufeinmal muss ich bei einer Wehe mitpressen, uih, was ist denn jetzt los? Mein Mann hat ganz ruhig festgestellt „Du, Du hast gerade mitgepresst, ich rufe mal M. an.“ Okay, M. ist gerade bei der Autobahnausfahrt, also noch ca. 10 min. bis zu uns und ich solle, wenn möglich, versuchen die Wehen zu veratmen, da es sein kann, dass die Sternenguckerposition die Presswehen auslöst und es noch gar nicht so weit sei. Diese Mitteilung habe ich mehrmals beflucht. Scheiße, Wehen veratmen – so ein Dreck

. Mein Mann hat tapfer hinter mir bei jedem Pressen gesagt „Niede pressen, weiter atmen.“ Wehe um Wehe ging es so weiter, ich wurde immer lauter (man konnte mich wohl vor der Haustüre hören, was meine Heiserkeit erklären würde) und als ich das nächste Mal die Augen aufmachte, sah ich M. und S. im Bad. S. setze sich ruhig ins Eck und machte Notizen. M. übernahm die Position von meinem Mann, tastete nach dem Bauch und hörte das erste Mal Herztöne. Alles gut, Baby liegt aber in Sternenguckerposition. M. war einfach nur da, sprach mir Mut zu und drückte mein Kreuzbein, was Schwerstarbeit war, da ich teilweise so dagegen drückte, dass ich sie nach hinten schob. Meinem Mann zerquetschte ich während jeder Wehe die Hände, was er einmal mit einem Aua und den Worten „sonst bekommt sie kein Gurkenglas auf“ kommentierte. Zugebissen habe ich wohl auch einmal, daran kann ich mich allerdings nicht bewusst erinnern. Die Wehen nahmen weiter an Kraft zu, ich schleimte ordentlich und blutete leicht. Die Wehen dauerten teilweise 2 min und kamen nach einer Pause von 30 sec. bereits wieder. Boah, wie heftig, zudem hielt der Pressdrang weiterhin an. Zum Positionswechsel konnte ich mich fast nicht motivieren, obwohl ich sagte, dass ich es im Vierfüßler nicht mehr aushalte. Aber jede Bewegung löste wieder die nächste Wehe aus. M. regte an, das Becken zu bewegen und evtl. ins Wohnzimmer zu gehen, sitzend den Ball auszuprobieren und mich ins Tragetuch zu hängen. Aufzustehen war alleine unmöglich, ein paar Wehen verbrachte ich knieend mit nach hinten gebeugtem Oberkörper – auch nicht gut. Das war dann mein Punkt zu fragen, wie weit wir denn seien. Im Vorfeld war vereinbart, dass es kein „Zwischenstand“ sowie eine vaginale Untersuchung geben würde außer ich wünsche es. Nun stellte ich meine Angstfrage „Ist der Kopf schon im Becken“ – Angstfrage darum, weil es das zentrale Thema meinen beiden vorherigen Geburten war. Beide Kinder hatten Schwierigkeiten bzw. kamen nicht ins Becken, die Sprüche der Ärzte und Hebammen, dass mein Becken zu eng zum Gebären sei, hatten sich bis tief in meine Seele eingegraben. Die Antwort lautete leider „Das Baby hat noch einen Weg vor sich, der Kopf ist noch nicht im Becken“. Scheiße nochmal! Auf eine vaginale Untersuchung habe ich verzichtet. Da war nun ein entscheidender Punkt – wie geht es weiter, gebe ich auf. Nein, nicht nach diesem Weg! Vor allem hatte ich immer die Verbindung zu unserer Tochter, ich spürte sie in den Wehenpausen und das Dopton zeigte auch, dass es ihr gut ging.
Die Wehen waren heftigst und ich bettelte nur noch nach einer Pause, ich braucht dringend Erholung und Durchschnaufzeit. Doch ins Wohnzimmer? Mir war mittlerweile alles egal und recht, was evtl. Pausen bringen könnte. Aufstehen konnte ich nur mit beidseitiger Unterstützung, so fertig waren meine Knie. Die nächsten Wehen habe ich stehend hängend aufgestützt verbracht und beschlossen, dass ich nicht mehr ins Wohnzimmer komme. Gedanklich war ich bei einer PDA, bei einer Sectio, bei richtig tollen Drogen

– Hauptsache diese Rücken- und Beckenschmerzen hören auf. M. hat dann ein „Machtwort“ gesprochen und vorgeschlagen die Seitenlage auszuprobieren, obwohl ich im Vorfeld immer betont hatte, dass ich mich nie mehr unter einer Geburt wie im Krankenhaus hinlegen lasse. Aber was man nicht alles tut in der Hoffnung auf eine Pause. Mühsam wurde/habe ich mich ins Bett in Seitenlage verfrachtet, war zwar unbequem und die falsche Seite, aber drehen?! Nee, gerade nicht. M. und S. sind dann raus um Toko-Öl und feuchtwarme Tücher zu holen, vielleicht könne man so die Wehen etwas bremsen. In der Zeit habe ich meinem Mann erklärt, dass ich nicht mehr könne und wolle. Seine Frage daraufhin war, ob ich in unser Wunsch-Krankenhaus wolle. Nein, 45 min Fahrt – nie im Leben! Also doch weitermachen

. Die Hebammen kamen wieder zurück mit den Tüchern und dem Öl. Damit wollte mir M. den Rücken massieren. Zuvor habe ich mich dann doch überwunden und mitgeteilt, dass ich Hilfe beim Umdrehen brauche. Mein Mann griff beherzt zu und drehte mich, was ihm einen ordentlichen Anschiss bescherte, ob dies nicht sanfter ginge. M. fing an mir den Rücken einzuölen, die Wärme tat gut. Mein Mann wurde wieder zum Hand halten abkommandiert. Während einer Wehenpause meinte ich die Jungs, die im Zimmer nebenan schliefen, zu hören, mein Mann schaute nach – beide schliefen friedlich, obwohl ich ziemlich laut war.
Währenddessen musste mir S. ihre Hände geben, in die ich auch versuchsweise (habe es gerade noch gemerkt) biss. Ähm, sorry. Die nächste Wehe kam, ich musste wieder pressen, aber etwas war anders. Ich rief „M., was wölbt sich da?“ Antwort war „Liebes, das kann dein Beckenboden sein, versuch den Druck nicht so mitzugegeben.“ Ich dann bei der nächsten Wehe „Ah, es drückt, was ist das?“ Daraufhin krabbelte M. zwischen meine Beine, nahm mein rechtes Bein auf ihren Rücken und sagte, dass ich Platz machen und die Beine nicht zusammenhalten solle. Dabei versuchte sie eiligst sich Handschuhe überzuziehen, verriss das erste Paar und hatte wohl erst einen Handschuh an als bereits der Kopf da war. S. zu mir „Ich seh das Köpfchen, es sind ganz viele dunkle Haare.“ – ich war völlig von der Rolle und gab einen Kauderwelsch aus „es brennt so, das kann nicht sein, mein Bein rutscht.“ von mir. Mit der nächsten Wehe war der Kopf geboren und M. und mein Mann meinten gleichzeitig „das Baby kommt in der Fruchtblase“. M. hat diese dann geöffnet, weil sie etwas, evtl. Nabelschnur, am Hals gesehen hatte und nicht richtig erkennen konnte, was es war. Nein, es war eine Faust am Ohr und eine Faust unterm Kinn. Ich war völlig fassungslos „was mach ich denn jetzt? Es kommt keine Wehe mehr.“ „Doch, ganz ruhig, wir warten, die nächste Wehe kommt.“ Ich habe, wohl instinktiv, dann mein Bein und meine Hüfte etwas gedreht, was der Kleinen den Drall gab, die Schulter richtig einzudrehen…die Wehe kam und sie war geboren.
Sie schrie gleich, S. half mir beim Aufsitzen und ich habe sie hochgenommen und gleich nachgeschaut – eine Tochter. Welch Glücksgefühl, das erste meiner drei Kinder, das ich begrüßen und hochnehmen durfte. Da lag sie auf meinem Bauch, rosig, so gut riechend, schreiend und ziemlich bald nach der Brustwarze suchend. Anlegen ging leider nicht, da die Nabelschnur zu kurz war. Wahnsinn, einfach nur ein Wunder. Für den Weg vom Beckeneingang bis zum Geboren werden vergingen übrigens gerade mal 5 min., den Weg ins Becken hat sie erst bei meiner Drehung von der rechten auf die linke Seite gefunden. Geburt nach dem Lehrbuch, räusper, was ich Krankenhaus passiert wäre, da möchte ich nicht dran denken...
Kurz darauf riefen unsere Jungs aus ihrem Kinderzimmer, dass sie wach seien. Ich und unsere Tochter wurden zugedeckt und mein Mann holte unsere Jungs damit sie ihre Schwester begrüßen konnten. Ganz großes Staunen! Ein unbeschreibliches Gefühl, das Timing perfekt. Die Nabelschnur pulsierte noch und sie konnte bereits von allen in unserer Familie willkommen geheißen werden. Es war so perfekt und mächtig!
Etwas Umständlicher war dann noch die Geburt der Plazenta, was fast zwei Stunden dauerte, obwohl alle Lösungszeichen recht schnell vorhanden waren. Aber es kam keine Wehe mehr, Anlegen half nicht, Husten, in die Flasche pusten, selbst an der Nabelschnur ziehen, tiefe Hocke – alles brachte nichts. Die Hebammen waren geduldig, aber ich wollte fertig haben, allerdings bitte ohne weitere Wehe oder nochmals drücken zu müssen. Erst auf die Nachfrage, was in der Klinik denn nun passieren würde, kam eine Wehe und ich konnte mich überwinden zu pressen. Endlich da und vollständig. Gerissen bin ich leider auch, die alte Narbe ging wieder etwas auf, wir haben uns aber gemeinsam dafür entschieden, da es nur oberflächlich ist, nicht zu nähen, sondern es so zuwachsen zu lassen. Nach dem schrecklichen Näherlebnis beim Großen wäre ich wahrscheinlich beim Nähen ausgeflippt.
Was soll ich sagen – jederzeit würde ich diesen Weg wieder gehen. Zum ersten Mal konnte ich ein Kind selbstbestimmt gebären und begrüßen. Wir sind bereits nun jetzt schon Familie, es hat sich so wunderbar und nahtlos eingefügt. Die Kleine ist so ruhig und entspannt angekommen, stillt im Gegensatz zu ihren Brüdern mit einer Selbstverständlichkeit und ohne Probleme. So soll der Beginn sein! Danke an dieser Stelle auch nochmals an meinen Mann, der trotz allen Ängsten und Zweifeln die Ruhe in Person war und mir den Rücken gestärkt hat, an meine wundervolle Hebamme und Freundin M. und an die Hebammenschülerin S., die ihre erste Hausgeburt ruhig meisterte.
Eine wundervolle Tochter, geboren am 13. Dezember 2013 um 7.03 Uhr mit 52 cm, 3.510 gr. und 35 cm Kopfumfang
Lebt euer Leben und seid achtsam.