Hier liegt er auf meinem Bauch, mein kleiner Sohn. Und ich habe ihn geboren. „Ich hab es geschafft“ waren auch meine ersten Worte nach der Geburt. Und es war wohl auch viel Kopfarbeit dabei, wirklich viel: Ich habe das gemacht. Vielleicht auch zu viel. Vielleicht weiß ich das, wenn ich fertig geschrieben habe.
Ich hatte ja kurz vor knapp in der 31. Woche die Hebammen gewechselt. Hausgeburt war damit leider raus, aber im nachhinein jetzt war es die beste Entscheidung. Die Betreuung so war für mich einfach richtig, die zufällig diensthabende Hebamme war genau die, die ich brauchte und mit der ich mich wohlfühlte.
Sonntag begann die Rufbereitschaft, also 38. Woche (+4 geschummelte Tage – gut, dass es nicht mehr waren…). Dienstag waren wir noch ausführlich im Ik*a. Mittwochmorgen um 4 wache ich auf. Was??? Ne, so viel kann ich nicht aus Versehen ins Bett gepinkelt haben. Blasensprung! Oh Gott. Ich springe auf, um das Bett zu schonen, entscheide, es ist dumm bis ins Bad alles voll zu tropfen und bleibe neben dem Bett stehen, um zu überlegen, was ich tue (auch sehr klug…) und wecke damit meinen Mann. Er ist sofort hellwach. "Wie es geht los? Dann fahren wir sofort ins Geburtshaus. Ich ziehe mich an." "Ne, erst ein Handtuch bitte." – "Warum brauchst du ein Handtuch???" Ich bin dann doch etwas überfordert und wecke erstmal die diensthabende Hebamme telefonisch, ob ich alles richtig mache. Ok, Fruchtwasser klar, keine Wehen, hinlegen, abwarten. Mann „legt sich jetzt echt erst nochmal hin, so einfach so?“ Ich bin zu aufgeregt, dusche, mache Frühstück, warte auf Wehen, die doch jetzt sofort kommen sollen. Tun sie natürlich nicht. Ein paar bilde ich mir trotzdem ein. Wir fahren dann um 8 los. Ich will jetzt gebären und das Kümmern um die Große und Organisieren stört mich. Die Nachthebamme hat die nächsten Diensthabenden schon informiert, es ist eine, die ich kenne, wegen des späten Wechsels kenne ich ja noch nicht alle, und auch mag. Super. Wir schreiben CTG. Babys Herztöne sind prima und das bleibt auch so bei jedem weiteren kurzen Doptoncheck. Wehen nicht wirklich. Muttermund zu. Ich will aber nicht mehr heim fahren, 45 min ist mir zu weit. Und überhaupt will ich doch jetzt ein Kind kriegen! Also jetzt. Nicht nachher.
Wir werden mal für eine Weile in die Stadt geschickt. Gehen noch Hausschuhe kaufen und mein Mann lässt beim Optiker seine Brille richten und findet es lustig zu erzählen, dass wir gerade ein Kind kriegen. Glaubt ihm wohl keiner. Auf dem Rückweg nach so 3 Stunden zieht es schon gut im Bauch. Juhu. Und wenn das Wehen sind – topp, das ist ja easy. Wehen haben ist toll!
Die Hebammen sind nicht beeindruckt. (Mittlerweile ist die zweite Hebamme auch gekommen und sie finde ich noch besser. Von der Art her genau mein Fall.) Wir können ja nochmal nebenan Mittagessen gehen. Wir holen uns was zum Mitnehmen. Ich will doch jetzt ein Kind kriegen und nicht im Restaurant sitzen. Außerdem lacht mein Mann mich aus, weil ich ihm dauernd nur halb antworte und zuhöre und ständig aufs Klo renne. Das Fruchtwasser, das immer wieder läuft, nervt mich aber auch tierisch. Immer gleich die Vorlage pitschnass. Ich mag nicht mehr draußen sein. Ich will in die Wanne. Und gehe so für die nächsten 6 Stunden nicht mehr raus. Toll da drin. Ich liege im warmen Wasser, das doofe Fruchtwasser kann tun, was es will, und ich muss nicht mehr immer versuchen das Tropfen zu verhindern und dabei gleichzeitig zu entspannen und locker zu lassen. Superkombination auch so. Wehen (Wehenchen) sind so alle drei Minuten, sagt mein Mann. Und jetzt tut es auch schon wirklich bisschen weh. Ich freue mich jedes Mal. Wehe, aua, das heißt Geburt, toll, mein Körper kann echt Wehen. Ich verliere völlig jedes Zeitgefühl. Ich frage mich etwas, warum sich die Hebammen abwechselnd immer mal hinlegen, mir kommt es gar nicht so lang vor. Die Hebammen gucken immer mal nach mir und lassen mich aber einfach tun, was ich will. Mein Mann sitzt neben mir und liest ein Namensbuch, wir haben schließlich noch keinen, und schlägt lauter römische Namen vor, die er später total doof findet. Sonst tut sich nix. Um 20 ist der Muttermund noch zu, nur Gebärmutterhals verstrichen. Das ist schon frustig. Aber ich fühle mich ja gut, dann dauert es halt noch. Doof ist trotzdem.
Ich merke da schon, ich bin wohl eher eine Alleingebärerin, also nicht Alleingeburt unbedingt, aber ich finde es gut, dass jemand da ist und immer mal kommt, aber im Ganzen bin ich so auf mich und den Bauch konzentriert, ich finde Ruhe am besten. Kann mich auch ganz schlecht auf Reden einlassen. Ich habe auch fast die gesamte Geburt bis auf die Pressphase die Augen zu.
Ich wechsele ab zwischen Wanne und rumlaufen, aber in der Wanne sind die Wehen stärker, deshalb gehe ich immer wieder rein. Gegen 22 Uhr ist der Muttermund bei 2cm. So seit 20 Uhr habe ich überhaupt wirksame Wehen, sagen die Hebammen. Seitdem finde ich Wehen auch nicht mehr so toll. Sie ziehen mir immer in die Oberschenkel und ins Becken. Bauch geht gut zu veratmen, aber diese Wehen finde ich schwierig. Tut mistig weh und ich muss ja loslassen und öffnen. Ich versuche mich einzulassen, aber ich versuche es eben vor allem. Die Hebammen ermutigen mich und vor allem lassen sie mich machen. Sie schlagen vor, aber ich fühle mich nie gedrängt. Ich stimme einem Einlauf zu, um es etwas zu beschleunigen. Wollte ich vorher nie, aber es passt in dem Moment und ist völlig ok. Wirkt auch gut, die Wehen werden kräftiger, bleiben aber die doofen Oberschenkelbeckenwehen. Ich bin angepisst. Immer wenn ich gut mit den Wehen klarkomme, sagt mir jemand, es müsse mehr werden. Jetzt ist es mehr und ich finde es kacke. Und was wollt ihr denn alle dauernd mit eurer Scheißkraft? Damit die Kraft reicht mal ausruhen? Ich habe Kraft, bis die ganze scheiße hier geschafft ist! Ich habe nur keinen Bock mehr. Es tut kackeweh und bringt anscheinend nix. Das ist das Problem hier.
Ich lasse mich immer mal überreden mich eine Weile hinzulegen, dussele auch zwischen den Wehen etwas ein. Hier auf dem Bett, an meinen Mann gekuschelt, kann ich eigentlich am besten entspannen und hinnehmen, aber so lange fühlt sich Liegen auch nicht gut an und ich denk, ich muss doch mehr tun und aufrecht ist doch eh besser, heißt es. Dann laufe ich mal wieder. Und lehne in jeder Wehe an der Wand zum aushalten. Ich habe später eine Beule an der Stirn, wo ich den Kopf immer gegen die Wand gedrückt habe. Ich tigere durch die Gänge, besonders gerne durch den dunklen Gruppenraum. Heute verstehe ich, dass sich alle Sorgen machten, ich war ja schon ewig wach, und es war kein Ende abzusehen. Sie sprechen mal vorsichtig Verlegung an, als es um 2 Uhr erst 5cm sind. Ich denke heute, ihre Gründe sind nachvollziehbar. Sie sagen, damit mir dann die Kraft nicht ausgehe, es tue sich ja was, das sehen sie, aber so langsam. Und ich sei schon so lange wach, besser also früher verlegen, damit es mit unterstützendem Wehentropf besser für überhaupt eine spontane Geburt reicht und ich nicht nicht mehr kann. Ich will aber nicht; sie akzeptieren das.
Meinen Mann schicke ich auch mal schlafen, er kann eh nichts tun. War in der Wanne vorhin noch gegen mein Kreuzbein drücken total angenehm, geht Wanne jetzt für mich gar nicht mehr.
Um 4 Uhr ist der Muttermund bei 5-6cm. Also quasi nix in den letzten 2 Stunden. (Die Kontrollen waren übrigens alle auf mein Bitten hin, ich wollte wissen, wo ich bin. Die Hebammen machen nur so jede Stunde mal eine Doptonkontrolle, immer ganz schnell zwischen den Wehen und sehr rücksichtsvoll. Die Herztöne bleiben immer super.) 6cm: alles doof. Die Hebammen sind sehr lieb und verständnisvoll, aber bis um 5 Uhr sollen wir entscheiden, sie empfehlen Verlegung. Es sind jetzt auch 24 stunden seit dem Blasensprung. Sie glauben nicht, dass es so noch klappt. Eine ist immer bei mir und versucht in den Wehenpausen mir die Angst vor dem KH zu nehmen. Ich will aber noch ein bisschen bleiben, ich will nicht weg. Ich komme mit den Wehen ja so nicht so gut zurecht, finde ich. Wenn die durch einen Tropf noch heftiger werden, was dann? Wenn dann PDA und KS in Reichweite sind und ich nur danach fragen muss – ich glaub nicht, dass ich es schaffe zu widerstehen. Ich bin sicher, im KH schaffe ich es spontan nicht. Ich habe solche Angst davor. Ich stehe nochmal auf und laufe weiter im dunklen Kursraum rum und verfluchte die Kackwehen. Dann – warum auch immer – gehe ich zum Fenster, hänge mich spontan an die Heizung und gehe in die tiefe Hocke. Plötzlich ist alles anders. Die Wehen kommen häufiger, nur noch ganz kurze Pausen, und sie sind heftiger, vertonen reicht nicht, ich brülle. Trotzdem sind sie leichter auszuhalten. Und irgendwie fühlt es sich jetzt genau richtig an. Ich muss mitdrücken. Zweimal, dreimal. Ich sage in einer kurzen Pause: "Ich presse dann jetzt." Die Hebammen werden etwas hektisch, ich denke, sie glauben mir nicht so ganz. Immerhin war keine 10 min vorher nichts davon in Sicht. Eine tastet kurz: Alles klar, der Kopf ist 3cm vor dem Ausgang, gut eingestellt. Sie nehmen mich rechts und links, wir flitzen in einer Pause zum Geburtsraum. Ich gehe sofort zur Heizung – mein Freund, die Heizung - und hocke mich hin wieder hin. Es ist eine enge Ecke zwischen Heizung und Wanne. Aber die Hebammen lassen mich machen, wie ich will, ziehen eine Matratze unter mich und verrenken sich eher, um was zu sehen und legen einen Spiegel unter mich, als mir zu sagen, dass ich woanders hin soll. Den Kopf halte ich schon selbst, denke noch dran ihn etwas zurückzuhalten. Alles dehnt sich und es brennt, aber es ist nicht so schlimm, wie ich befürchtet habe nach anderen Geburtsberichten. Ich sage noch: Jetzt ist aber was gerissen. Die Hebamme sagt mir, ich soll mal zwei Wehen verpusten, das geht erstaunlich problemlos. Dann presse ich nur noch, kriege noch gesagt, weniger brüllen, mehr pressen, das geht aber nicht wirklich. Und obwohl es viel heftiger ist als vorher und auch eigentlich mehr schmerzt, fühlt es sich seit der tiefen Hocke einfach alles richtig an. Ich weiß plötzlich genau, was ich tue, dass das alles genau so stimmt und passt und ich das kann. Zum ersten Mal in der ganzen Geburt wirklich. Und plötzlich liegt da ein Baby zwischen meinen Beinen: 4.23 Uhr. Ich hab’s geschafft!
Das ist auch das erste, was ich sage. Ich gucke das Baby nur an. Im Nachhinein hätte ich es gerne selbst hochgehoben, aber ich kann es nur angucken und staunen. So macht es die Hebamme. Mein Mann nimmt mich in den Arm. Er war – seltsamer- und spannenderweise – von selbst aufgewacht und auch gegen 4 in den Gruppenraum gekommen. (Später hören wir, dass auch meine Schwägerin und mein Schwiegervater um die Zeit wachgeworden sind. Ich glaube nicht an sowas, aber es ist schon lustig und komisch. Um 4.22 Uhr schickt meine Schwägerin eine SMS, wie es denn steht bei uns.) Er darf die Nabelschnur durchschneiden, was er total toll findet. Ich frage dreimal, warum sie schon abnabeln und glaube ihnen erst, dass sie wirklich schon auspulsiert ist, als sie sie mir in die Hand geben. Entweder ging es total schnell oder ich habe länger Baby angeglotzt und gestaunt, als ich dachte. Dann legen wir uns zu dritt ins Bett und der Kleine fängt nach kurzer Zeit an zu stillen. Die Hebammen kommen erst eine Stunde später wieder zu uns, machen die U1, während ich die Plazenta, die sich in der Zwischenzeit gelöst hat, rausdrücke. Ich finde ja, es ist überall sehr viel Blut, aber es passt wohl alles. Ich bin leider wirklich gerissen, auf beiden Seiten zwischen den Labien, wie ich auch gemerkt habe, und werde später doch noch genäht, damit es besser heilt. Dann legen wir uns nochmal hin, schlafen eine Stunde, ich esse den Rest meines Mittagessens zum Frühstück und wir fahren nach 3 Stunden heim. (Lustigerweise finden die meisten, denen wir es erzählen, und ich erzähle es allen als Werbung fürs außerklinische Gebären, wenn ich schon ein Kind vorzuweisen habe, dass dieses "Risiko" offensichtlich gut überlebt hat, das außerklinisch ganz ok, aber dass wir schon nach 3 Stunden heim sind…)
Direkt zuhause sein ist so schön. Sogar die Autofahrt fand ich gar nicht so störend. Unser kleiner Sohn ist wirklich sehr klein, zumindest leicht. Er hat nur 2500g. Die Plazenta war schon gut verbraucht, vielleicht war er deshalb auch so relativ früh. Aber er hat klare Prioritäten seit der Geburt: pennen und essen. Meine liebe Nachsorgehebamme, die auch etwas geschluckt hat als sie 2500g hörte, ist superzufrieden mit uns. Er nimmt nur 140g ab, dann habe ich schon gut Milch und es geht stetig aufwärts. Im Moment sind wir so bei 50g pro Tag. An Tag 6 ist Geburtsgewicht, heute haben wir wohl die 3kg. Und er ist bisher genauso ein pflegeleichtes Kind wie die Große, die eine superbegeisterte und ganz liebevolle Schwester ist. Während ich das hier tippe, kuscheln die beiden auf dem Sofa.
So, jetzt weiß ich auch, wie Geburt und Gebären ist. "Wunderschön", wie ich hier immer wieder lese, würde ich es nicht nennen. Aber ich habe meinem Mann nach einer Woche schon gesagt, dass eine Nr. 3 drin ist. Ich mache das auch nochmal, auch wenn ich zwischendurch schon dachte: Boah, ein KS ist schon einfacher. (Was eigentlich auch nicht stimmt…) ich frage mich schon, warum es sooo langsam ging. Vielleicht ist das ja einfach mein Geburtstempo (ich hoffe nicht), aber vielleicht habe ich auch zuviel gedacht, mich zu wenig einlassen können. Es war schon sehr kopflastig von mir. Ich wollte Wehen haben, wollte Gebären, habe versucht Wehen herbeizudenken, statt sie einfach zu erwarten. Ich habe auch zwischendurch sehr oft gezweifelt, gedacht, dass ich das (Geburt) vielleicht doch einfach nicht kann. Angst deswegen gehabt. Vielleicht mich auch deswegen schwer auf diese Oberschenkelbeckenwehen einlassen können. Ich weiß nicht. Ich freue mich auf das Nachgespräch im Geburtshaus. Ich bin gespannt, was sie sagen würden. Auf jeden Fall war die Betreuung so für mich genau richtig. Ich hatte zu jedem Augenblick das Gefühl, dass ich bestimme, ich wurde so viel in Ruhe gelassen und durfte machen, wie und was ich will, genau wie ich es mir erhofft habe. Die Hebammen haben mir zwar Vorschläge gemacht, aber ich hatte die Entscheidung. Sogar bei der angesprochenen Verlegung waren sie wirklich sehr dafür, haben aber eher versucht mich zu überzeugen, als zu sagen: so wird es gemacht. Und ich bin ihnen sehr dankbar, dass sie mit mir so lange ausgehalten haben. Ich glaube, sie wollten schon viel früher gerne verlegen, haben aber mein Nein respektiert, so lange es für sie eben medizinisch tragbar war. Und haben sich darauf eingelassen. Die eine sagte mir sogar danach, vielleicht haben sie heute auch was gelernt, dass man manchmal doch besser noch länger warten kann.