Von der Hausgeburt zur Geburtshausgeburt

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Frl_Lotta

Von der Hausgeburt zur Geburtshausgeburt

Beitragvon Frl_Lotta » Mo 1. Jul 2019, 10:55

Ich musste den Bericht in Etappen schreiben, weil ich anfangs gar nicht darüber nachdenken wollte. Leider bekomm ich wohl alles nicht mehr so genau hin, aber so grob kann ich mich noch erinnern und von der Hebamme bekam ich das Geburtsprotokoll (wobei mich da einige Zeitangaben irritieren...) Inzwischen glaube ich fest daran, dass sich der Bub mit der Vorderhauptslage gerettet hat, wenn er wohl so schnell wie die anderen durchgerauscht wäre, wäre das mit der Plazenta vielleicht nicht so glimpflich ausgegangen, denk ich mir.

Alles begann am 23.5. um kurz nach 7 Uhr. Ich räumte gerade die Spülmaschine aus, als es mir warm die Beine runter gelaufen ist. Wie schon bei der letzten Geburt war ich kurz erstaunt, dass so ein Blasensprung völlig ohne Vorankündigung geschieht. Dann kam die Freude, unser Mädchen kommt genau am von mir errechneten Geburtstermin! Die Sonne schien warm durchs Fenster und ich überlegte, wie ich das Kigakind ohne große Aufregung aus dem Haus bekomme. Informierte dann meinen Mann, der kam von der Arbeit heim und kümmerte sich. Es zog leicht, aber noch nix ernstes. Bei der Hebamme sagte ich den VS-Termin ab. Die möchte mich am Nachmittag kurz zum ctg sehen, falls ich mich bis dahin nicht mit relevanten Wehen gemeldet habe. Gegen Mittag war ich komplett wehenfrei und einigermaßen frustriert. Einzig das Fruchtwasser ging immer wieder schwallartig ab. Warum beginnt die Geburt und geht dann nicht weiter?! Um 15 Uhr schrieben wir im GH ein CTG, das unauffällig war. Falls bis 20 Uhr kein Fortschritt zu erkennen ist, würde mir Blut abgenommen, um eine Infektion auszuschließen. Es tat sich nichts und nachdem ich den Lütten ins Bett gebracht habe, sind wir wieder ins Geburtshaus. Die Hebamme meinte, dass es sicher losgeht, wenn im Haus Ruhe einkehrt. Einen Rizinuscocktail habe ich ausgeschlagen, den wollte sie mir eigentlich gerne mitgeben.
Zuhause haben mein Mann und ich noch eine Serie geschaut, hin und wieder ne Wehe... Um halb elf sind wir dann ins Bett. Mein Mann schlief wie üblich sofort ein und ich lag wach. Kurz nach elf kam eine knackige Wehe und hoppla, drei Minuten später schon wieder! Ich freute mich, stupste den Mann wach und bat ihn den baldigen großen Bruder ins Kinderzimmer zu verfrachten. Das waren Wehen, wie ich sie für eine Geburt gebrauchen kann. Danach gab ich meiner Hebamme Bescheid. Kurz dachte ich noch, dass unser Mädchen wohl noch püntklich zum eT geboren werden möchte. Die Hebamme war dann kurz nach 24 Uhr da uns freute sich mit mir, dass es nun doch scheinbar zügig ging. Bald war ich in meiner Geburtsblase und mochte nicht mehr viel sprechen. Entweder stand ich vorm Wickeltisch oder wippte auf dem Pezziball. Kurz hörte sie die Herztöne, die waren aber Ok. Irgendwie deutete sie schon an, dass der Kopf noch ziemlich weit oben sei. Als es für mich schon schmerzhaft wurde und alles nach Endspurt aussah, bat sie mich, ob sie mal tasten dürfe. Ja, war mir recht. Ernüchternder Befund: Mumu zwar dehnbar, aber erst bei 4cm... Kopf immer noch nicht eingestellt. Ich war verwundert, sowas hatte ich ja noch nie... Dann auf einmal ging "etwas" ab, ein Blick nach unten zeigte eine Menge blutiger Koagl... (laut Hebammenbericht war das 1:34). Zwischendurch trank ich immer Wasser und schaute auf den Wecker und dachte mir "Jetzt bald... mein Baby"... Inzwischen musste ich die Wehen schon laut vertönen und war wirklich verwirrt, weil ich dieses Gefühl nur von der Endphase kenne, das sagte ich auch in einer Wehenpause zu meiner Hebamme. Sie meinte, dass der Druck noch fehlt. Um kurz vor 3 Uhr war da immer mehr Blut und sie meinte, dass sie das jetzt hier zu Hause nicht mehr guten Gewissens mittragen kann. Wir können ins GH wechseln, weil das nur 5 Min vom KH entfernt ist oder gleich sofort ins KH. Da gehe sie aber nicht mit rein. Ich entschied mich fürs GH, sofern sie die Entscheidung mitträgt. S. ging nach vorne und fand meinen Mann dösend auf der Couch. Der war natürlich sofort in Alarmbereitschaft. Wir besprachen, dass er die Mädels weckt, damit sie beim Lütten schlafen, falls er aufwacht. Er ging und ich versuchte mich anzuziehen. Plötzlich ging die Tür auf und J. stand im Zimmer. Er war ganz verschlafen und murmelte etwas von "Warum ist keiner bei mir im Bett", dann sah er erst, was im Zimmer los war und schaute mich an und fragte "Warum blutest du am Bein, hast du dich angehaun?" Ich wollte ihn beruhigen (sofern das mit Wehengeschnaufe ging) und meinte, dass das normal sei und seine Schwester nun geboren werden wollte. Wir würden aber kurz ins GH fahren, weil wir nochmal schauen wollten, dass es dem Baby ja auch gut ging. Er lies sich dann von seinen Schwestern ins Bett tragen (ab da waren sie alle wach, weil sie so aufgeregt waren... zum Glück wusste ich das nicht, ich dachte echt, sie würden weiterschlafen) Die Autofahrt ins GH war dann die Hölle. Die Hebamme nahm mich mit und ich war heilfroh, weil mein Mann hätte das wohl ganz schlecht ausgehalten, ich hatte so arge Wehen und im Auto sind die ja wirklich ziemlich mies auszuhalten... das war ein Geschrei... Im GH wurde dann noch kurz ein CTG geschrieben, aber dem Mäuschen ging es schon wie die ganze Zeit gut. Ich hing dann an der Sprossenwand und plötzlich überkam mich eine Heidenangst, ich dachte die ganze Zeit, ich müsse sterben und wusste nicht mehr mit den Wehen umzugehen. Das war der Zeitpunkt, als mein Mann kurz das Zimmer verlassen musste. Ich war froh und sagte in dem Moment zu den Hebammen (eine 2. kam dazu), dass ich nicht mehr könne und nicht weiß, wie ich das schaffen soll. Dann sah ich plötzlich das ganze Blut und war nur noch verzweifelt. Das war der Moment, als die Hebammen beschlossen, dass wir in die Klinik fahren. Mein Mann fragte, ob er den Rettungswagen rufen soll (hat er mir später erzählt), aber das wollten sie nicht... Wir würden selber fahren.
Meine Hebamme S. machte dann im Vorzimmer die Papiere bereit, während mich die zweite Hebamme beim Anziehen unterstützen wollte. Ich konnte aber absolut nicht mehr und sagte, dass ich weder in diese Hose steigen kann, noch aus dem Zimmer komme. Es war ein einziger Schmerz und die Wehen hörten gar nicht mehr auf. Plötzlich spürte ich, wie das Baby tiefer rutscht. Das sagte ich auch. Die Hebamme glaubte mir aber nicht und murmelte immer "Komm C. , heb den Fuß, zusammen schaffen wir es in die Hose" Ich musste dann auf einmal pressen und konnte nicht mehr reden. Da kam S. wieder ins Zimmer und meinte "Sie bekommt jetzt ihr Kind, hört ihr das nicht?" Ich rutschte vom Bett auf die Matte in die tiefe Hocke und rief "Es brennt so, es zerreißt mich" Und plötzlich war es nicht mehr schlimm, der Kopf war am Scheideneingang und das Gefühl war so viel besser als die ganze Zeit davor. Es war 4:21 Uhr. In einer zweiten Presswehe rutschte der Körper hinterher und da lag ein völlig mit Blut erzogenes Baby vor mir, krähte ganz empört, hatte die Nabelschnur mehrmals um den Hals und ich war so überwältigt, dass ich (meine Brille war auf der Kommode und ich sah nicht richtig scharf) aufstehen wollte, was aber wegen der Nabelschnur nicht ging. Zu dem Zeitpunkt kam auch mein Mann wieder ins Zimmer. S. hielt mich am Arm fest und meinte, ich solle sitzen bleiben. Keine Ahnung, was das für ein Impuls war. Sie saugte kurz Blut, Schnodder und was weiß ich noch alles ab und dann konnte ich mein Baby hochnehmen. In dem Moment fiel alles von mir ab und ich war nur noch glücklich. Dieser kleine warme Körper, der noch so nach "Bauch" roch... Wie schnell sich die Gefühle ändern können. Die Hebammen halfen mir dann ins Bett und als sie mir ein neues Handtuch fürs Baby gaben, sagten mein Mann und S. gleichzeitig "Na, ein Mädchen ist das aber nicht!" Ich schaute und sah den Penis. Wir lachten einfach nur und fanden es so witzig. In dem Moment merkte ich, wie egal diese ganzen Überlegungen vor der Geburt waren und dass ein Junge perfekt zu uns passt. Vielleicht war der Lütte deshalb so empört über die Schwester, er wollte ja eh immer einen Bruder, ob er es geahnt hat? Wir mussten dann leider noch ne ganze Weile im GH bleiben, weil sie mich nach dem Blutverlust nicht gleich heimgehen lassen wollen. Der Bub nutze die Zeit zum ausgiebigen Stillen. Im Nachhinein sagte sie mir, dass der Bub ein Sterngucker war und das die Geburt schon anstrengend macht. Das ganze Blut kam wohl von einer vorzeitigen Plazentaablösung, wie man nachher beim betrachten der Plazenta gesehen hat, da fehlte nämlich ein Stück... Sonst schau ich mir die Plazenten immer an, diesmal konnte ich das nicht. Die liegt jetzt in der Gefriertruhe und wird irgendwann nochmal in Augeschein genommen, bevor ich sie vergrabe. In der Aufregung haben wir natürlich die Kamera daheim gelassen und in der ersten Zeit auch gar nicht daran gedacht. Jetzt gibt es leider nicht viele Fotos. Eins, wo er an meinem Busen trinkt und eins, auf dem mein Mann ihn im Arm hat... Nach einiger Zeit haben wir auch abenabelt und statt einer Plastikklemme konnte ich mein selbst gehäkeltes Bändchen hernehmen. Was der Arzt übrigens total toll fand, der um 8 Uhr kurz zur Inspektion kam. Das ist auch unser Hausarzt und kommt manchmal bei schwierigen Geburten ins GH. Ich ging dann noch auf die Toilette (wo ich so blutverschmiert wie ich war eine riesen Sauerei angerichtet habe...) und aß brav etwas. Die Hebammen haben mich dann grob gewaschen, duschen wollte ich zu Hause. Den namenlosen Bub haben wir auch gewaschen und in feine Wollsachen gepackt. Dann durften wir um 10 Uhr endlich heim. Ich freute mich so sehr auf die Kinder. Die Große ist derweil mit den Geschwistern (wobei der 13jährige bis 6 alles verpennt hat) zum Frühstück einkaufen gefahren und haben zu Hause gefrühstückt. Als meine Schwiegermutter erfahren hat, dass wir im Geburtshaus sind, ist sie postwendend zu den Kindern gefahren. Ich könnte heulen, weil wir irgendwie gar nicht daran gedacht haben, dass wir sie ja in der Nacht anrufen hätten können. Die Große beteuert zwar, dass alles easy war, aber für die Kinder war es bestimmt auch seltsam, weil es ja so ganz anders lief, als geplant und wie sie es kennen. Und auch sind wir gar nicht auf die Idee gekommen, dass die Kinder ja ins GH kommen hätten können und den kleinen Bruder begrüßen, die musste ganz ungeduldig zu Hause warten... Aber das ist jetzt schon so. Zu Hause konnten sie dann ja alle ausgiebig mit ihm kuscheln.

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SaTe
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Re: Von der Hausgeburt zur Geburtshausgeburt

Beitragvon SaTe » Mo 1. Jul 2019, 17:07

:danke: :hug:
Dein Bericht liest sich sehr intensiv. Kann verstehen, dass du brauchtest, um ihn zu schreiben. Aber ich musste auch lächeln, als ich von der Geschlechterüberraschung las.
Ich finde, ihr habt das ganz toll gemacht. Und deine Große, du darfst ganz stolz auf sie sein. Wie toll! Ich kann die Liebe und den Zusammenhalt eurer Familie förmlich spüren.
Danke!!!!
Grüße von SaTe

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Re: Von der Hausgeburt zur Geburtshausgeburt

Beitragvon babsi2011 » Mo 1. Jul 2019, 20:58

Der Bericht liest sich wirklich anstrengend und teilweise auch etwas angstvoll.
Ich hoffe du kannst es trotzdem annehmen und haderst nicht damit :)

Darf ich fragen, wieso du denkst, das die Sternguckerposituon ihn gerettet hat? Wenn er schnell geboren wäre, dann hättest du ja nicht so lange geblutet.
Und eine Frage habe ich noch, wie konnte die Hebamme die Blutung als „ungefährlich“ einstufen?
Die Plazenta hätte sich doch jeden Moment habt lösen können.

Trotzdem sehr schön, dass du dieses Erlebnis mit uns teilst :rainbow:
Bub 09\15 GH
Mädchen 08/18 AG
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Re: Von der Hausgeburt zur Geburtshausgeburt

Beitragvon Biiibi » Mo 1. Jul 2019, 21:53

Respekt zu dieser Leistung, du kannst wirklich stolz auf dich sein!!
Mädchen 2010
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Bub 2015

Frl_Lotta

Re: Von der Hausgeburt zur Geburtshausgeburt

Beitragvon Frl_Lotta » Di 2. Jul 2019, 09:05

Der Bericht liest sich wirklich anstrengend und teilweise auch etwas angstvoll.
Ich hoffe du kannst es trotzdem annehmen und haderst nicht damit :)

Darf ich fragen, wieso du denkst, das die Sternguckerposituon ihn gerettet hat? Wenn er schnell geboren wäre, dann hättest du ja nicht so lange geblutet.
Und eine Frage habe ich noch, wie konnte die Hebamme die Blutung als „ungefährlich“ einstufen?
Die Plazenta hätte sich doch jeden Moment habt lösen können.

Trotzdem sehr schön, dass du dieses Erlebnis mit uns teilst :rainbow:
Vll hätte sich die Plazenta komplett gelöst, wenn er so schnell und mit so einer Gewalt durchgerauscht wäre? Ich weiß es nicht, hab es mir aber so zurecht gelegt...
Wie sie die Blutung als ungefährlich einstufen konnte, frag ich mich auch. Konnte es aber bei ihren Wochenbettbesuchen nicht an- und aussprechen... Mein Mann denkt ja, dass sie um jeden Preis eine natürliche Geburt präferiert und zu viel riskiert, bevor sie ins KH verlegt... ich weiß es nicht...

Blüte

Re: Von der Hausgeburt zur Geburtshausgeburt

Beitragvon Blüte » Di 2. Jul 2019, 11:36

Also, ich finde, du hast das richtig toll gemacht! Allerdings hattet ihr wohl echt Glück, dass alles gut ausgegangen ist. Die Hebamme scheint ja wirklich von der sehr entspannten Sorte zu sein.

Deine große Tochter ist echt toll!

Frl_Lotta

Re: Von der Hausgeburt zur Geburtshausgeburt

Beitragvon Frl_Lotta » Di 2. Jul 2019, 12:36

Ja, auf meine Große kann ich im Ernstfall immer zählen <3

Luggele
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Registriert: Mo 17. Jun 2013, 09:54

Re: Von der Hausgeburt zur Geburtshausgeburt

Beitragvon Luggele » Di 2. Jul 2019, 15:31

Liebe Lotta,
vielen Dank für Deinen Bericht!
Ja, Du hattest es ja schon angedeutet, dass es heftig war und auch nicht ungefährlich. Und auch wenn meine Geburt ziemlich problemlos im Vergleich war (und mein Mann immer das Wort "friedlich" benutzt), erinnert mich Dein Bericht auch an meine Geburt - ich fühlte mich auch länger schon im Übergang (war es möglicherweise auch) und hatte das Gefühl, es geht einfach nicht mehr, es ist zu schwer für mich!
Und dass dann plötzlich die schöne Endphase da ist und dann das Baby :rosabrille: das einen entschädigt!
Und auch wir sind ja sozusagen vom Geschlecht überrascht worden :lol3:
Von daher konnte ich beim Berichtlesen irgendwie total mitfühlen (auch ich hatte direkt den Wunsch, dass die Geschwister das Baby sehen sollen).
:hug:
Luggele

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