Die Geburt des Räuberchens (Februar 2013)
Verfasst: Di 30. Sep 2014, 11:37
Mittwoch, 30.01.
Ich stehe nach dem Aquafitness-Kurs an der Bushaltestelle, als ich plötzlich merke, dass mein Slip nass wird. Ich denke mir nicht viel dabei, weil ich das in den vergangenen Tagen immer mal wieder hatte. Daheim mache ich zur Sicherheit noch einen pH-Test, der aber einen ganz normalen Wert anzeigt – also kein Fruchtwasser.
Donnerstag, 31.01.
Ich werde wach und merke, dass der Slip wieder nass ist. Außerdem ein nasser Fleck im Bett. Das kommt mir nun doch komisch vor. Also mache ich wieder einen pH-Test. Hm, könnten das dunkle Schlieren auf dem Indikatorstreifen sein? Aber sieht es SO aus, wenn es Fruchtwasser ist? Ich dachte, der Streifen ist dann ganz blau. Ich maile meinem Mann, der mich ermutigt, im Kreißsaal anzurufen. Das mache ich dann auch - dort ist man sehr entspannt: „Entweder zum Frauenarzt oder kurz vorbeikommen.“ Wir beschließen also, dass mein Mann heim kommt und wir dann ins Krankenhaus fahren. Bei der letzten Untersuchung bei der Frauenärztin vor zwei Wochen saß das Köpfchen noch nicht fest im Becken, ich müsste also eigentlich liegend transportiert werden. Da ich aber ja schon den ganzen Morgen rumgelaufen bin, ist das wohl hinfällig und wir fahren mit dem eigenen Auto. Die Kliniktasche nehmen wir nicht mit, denn „es ist eh nichts“. Mir ist die Aktion schon total peinlich und unangenehm, denn ich bin davon überzeugt, dass ich mir das einbilde und mein Mann nun völlig umsonst Minusstunden macht. So ein Geburtsanfang fühlt sich auch irgendwie falsch an.
Im Kreißsaal angekommen wird erst mal ein CTG geschrieben – keine Wehen, dem Räuberchen geht’s gut. Dann untersucht mich die Hebamme (Muttermund zu, Gebärmutterhals noch recht lang) und macht einen Test auf Fruchtwasser. Sie sagt noch „naja, es geht halt auch mal Urin ab, und bei der Untersuchung gerade kam ja auch nichts“. Immerhin kann sie mich hinsichtlich des Köpfchens beruhigen, es sitzt jetzt fest im Becken. Zwei Minuten später sagt die Hebamme ganz überrascht: „Oh, eindeutig, zwei Streifen! Ja, dann bleiben Sie hier!“ Ich bekomme Herzklopfen – ehrlich, wir bekommen jetzt unser Kind? Ich kann das gar nicht fassen.
Nun werde ich erst mal aufgenommen. Ich bekomme einen Zugang gelegt, mir wird Blut abgenommen und es wird ein Ultraschall gemacht und man erklärt mir, dass man die Geburt nun einleiten wird. Zum Glück denken wir noch daran, der Ärztin zu sagen, dass wir das Geschlecht des Räuberchens nicht kennen, sonst hätte sie sich wahrscheinlich verplappert. ;-)
Wir werden dann erst mal zum Mittagessen geschickt, weil man noch auf die Blutergebnisse warten möchte, um zu entscheiden, wie eingeleitet wird. Um 14:00 Uhr sind wir wieder im Kreißsaal, es wird erneut ein CTG geschrieben und ich bekomme zum ersten Mal das Geld zur Einleitung gelegt. Ich glaube, die erste Antibiotikum-Infusion läuft jetzt auch durch. Man will natürlich vermeiden, dass das Räuberchen durch den langen Blasensprung eine Infektion bekommt. Michi fährt nun erst noch mal heim, um die Tasche zu holen und im Geschäft anzurufen, dass er vermutlich nicht mehr kommen wird, da seine Elternzeit heute oder morgen beginnt.
Nachdem das CTG geschrieben ist, werde ich auf die Wöchnerinnen-Station verlegt, in ein Zweibettzimmer. Ich weiß gar nicht, was ich da jetzt tun soll, also gehe ich raus und warte vor der Klinik auf meinen Mann. Als er kommt, gehen wir erst mal Kuchen essen – die Kantine im Krankenhaus ist wirklich gut!
Um 17:20 muss ich mich wieder im Kreißsaal melden, und zwar – wie könnte es anders sein – zum CTG. Wir fragen nach einem Familienzimmer, denn ich kann mir nicht vorstellen, die Nacht ohne meinen Mann zu verbringen und womöglich im Zweibettzimmer Wehen zu veratmen. Leider sagt man uns, dass die Chancen sehr gering sind, weil die Station total voll ist. Die Hebamme ruft trotzdem auf Station an und leider bestätigt sich die Vermutung. :-( Eine Viertelstunde später kommt sie wieder und hat gute Nachrichten: Man hat es jetzt doch möglich gemacht und wir kriegen das allerletzte Familienzimmer! Yippieh!! Ich bin total erleichtert und gleich viel weniger angespannt.
Nach dem CTG beziehen wir also unser Reich für die – wie wir denken – nächste Nacht. Wir möchten ja gern ambulant entbinden. Nach dem Abendessen fährt mein Mann noch mal heim und holt ein paar Sachen, die wir vergessen haben, in die Kliniktasche zu packen.
Bis 20:15 Uhr passiert nicht so viel. Ich habe die ersten Wehen, die sich aber noch gut veratmen lassen. Ich liege auch noch recht entspannt im Bett und lese nebenher. Im Kreißsaal wird wieder ein CTG geschrieben und ich bekomme das zweite Mal Gel gelegt. Man möchte, dass es jetzt bald losgeht, weil der Blasensprung nun schon 24 Stunden her ist. Ich denke im Nachhinein, dass es ein Fehler war, das 2. Gel gleich hinterher zu legen. Zum Befund bei der Aufnahme hat sich jedenfalls noch nichts verändert, der Muttermund ist weiterhin zu.
Von 21:00 bis 23:15 Uhr sind wir in unserem Zimmer und ich muss nun schon ganz schön heftige Wehen veratmen. Mir ist es auch plötzlich total egal, dass nebenan und auf den Fluren Leute sind, die mich hören können. Es tut einfach nur weh und ich KANN gar nicht anders. Im Stehen lassen sich die Wehen am besten aushalten, Liegen geht schon fast gar nicht mehr. Die Abstände, in denen die Wehen kommen, sind unglaublich kurz, manchmal nur 50 Sekunden. Länger als 3-4 Minuten habe ich selten Pause.
Um 23:15 Uhr sind wir wieder im Kreißsaal, wo ich mich für’s CTG hinlegen soll. Das ist schon fast Folter. Es gäbe zwar auch ein kabelloses CTG, aber das hat wohl die Tendenz, gerade bei den Wehen zu verrutschen und dann im entscheidenden Augenblick keine Herztöne aufzuzeichnen. Also kämpfe ich mich durch die halbe Stunde Liegen durch. Die nächsten Stunden vergehen dann damit, dass ich über das Kreißbett gebeugt Wehen veratme und mein Mann mir das Kreuzbein massiert und mir immer wieder ein neues Kirschkernkissen holt. In den – immer noch sehr kurzen – Wehenpausen sitze ich auf einem Pezzi-Ball und möchte am liebsten nur schlafen. WENN ich mal eine längere Pause von 5 Minuten habe, ist das ein geniales Gefühl, das ich dann allerdings mit einer wesentlich schmerzhafteren Wehe im Anschluss bezahle. Die Hebamme erklärt uns, dass diese Wehen aber viel wirksamer seien als die kurzen, heftigen Wehen, die ich sonst habe.
Freitag, 01.02.2013
Um 4:00 Uhr beschließe ich, dass ich doch die Gebärwanne einmal ausprobieren möchte. Ich konnte mir das vorher nicht vorstellen, aber nun ist der Gedanke an warmes Wasser sehr verlockend, zumal ich glaube, dass meine Oberschenkel das Stehen nicht mehr lange mitmachen. Tatsächlich sind die Wehenpausen in der Wanne eine reine Wohltat, das warme Wasser entspannt zusätzlich und es fühlt sich echt gut an. Auch meinem Mann gefällt es, weil er recht entspannt hinter mir sitzen (und sich vom Massieren erholen ;-)) kann. Die Wehen selbst finde ich in der Wanne allerdings wieder schwerer auszuhalten. Nun untersucht die Hebamme mich auch noch mal, und das Ergebnis ist für mich echt ernüchternd: Der Muttermund ist erst 5 cm offen. Ich bin total entsetzt – ich glaube nicht, dass ich diese Wehen nochmal so lange aushalten kann, zumal ich auch langsam richtig müde werde und meine Kraft spürbar nachlässt. Immerhin sind wir jetzt auch schon einen ganzen Tag und eine ganze Nacht wach. Ich frage nach einer PDA, und die Hebamme sagt, dass es natürlich grundsätzlich möglich ist und sie auch verstehen könnte, wenn ich jetzt eine will. Ich hadere mit mir, denn eigentlich wollte ich partout keine PDA. Aber man weiß einfach vorher auch nicht, was auf einen zukommt. Nachdem ich noch drei heftige Wehen habe und mir vorstelle, dass das jetzt noch stundenlang so weitergehen muss, sage ich also um 4:45 Uhr, dass ich eine PDA möchte. Dazu muss ich natürlich aus der Wanne raus. Jetzt bekomme ich auch ein schickes OP-Hemd an.
Der Anästhesist kommt um 5:00 Uhr, sieht mich und sagt: „Unterschreiben wollen Sie wahrscheinlich erst hinterher, oder?“ Bis die PDA sitzt, wird es jetzt nochmal richtig ätzend, denn ich muss etliche Wehen im Sitzen veratmen, was fast noch schlimmer ist als im Liegen. Der Arzt macht seine Sache aber sehr gut, er arbeitet schnell und nutzt die Wehenpausen. Schon nach wenigen Minuten spüre ich, wie es mir deutlich (!) besser geht. Ich kann wieder mit meinem Mann reden, der Anästhesist macht ein paar Scherze und mir geht’s gut. Die Hebamme sagt, dass die Schmerzen noch vieeeel weniger werden, und ich antworte, dass mir das so schon ausreicht. Es ist aber dann wirklich so, dass ich gegen 5:45 nur noch einen Druck spüre, wenn eine Wehe kommt. Die Hebamme holt mein Bett aus unserem Zimmer, so dass mein Mann sich auch hinlegen kann, und wir dösen/schlafen erst mal bis 7:00 Uhr. Ich bin währenddessen natürlich voll verkabelt (CTG, Blutdruck, Sauerstoffsättigung) und lausche den Herztönen des Räuberchens. Dem geht’s gut, und das beruhigt mich.
Um 7:30 Uhr stellt sich eine neue Hebamme vor – das ist der dritte Schichtwechsel, den wir mitmachen. Es soll aber der letzte sein. Sie untersucht mich und stellt fest, dass der Muttermund jetzt 7-8 cm offen ist. Leider hat sich der Kopf des Räuberchens aber noch nicht richtig ins Becken eingestellt. Es will ein „Sternlesgucker“ werden, hängt aber mit der Stirn am Schambeinknochen fest. Ich soll mich auf die Seite legen, um das Drehen zu unterstützen, und bekomme zudem einen Wehentropf angehängt. Die Hebamme sagt mir, dass ich wohl spätestens für den Wehentropf eine PDA bekommen hätte, so dass meine Entscheidung in der Nacht goldrichtig war. Es hätte mich wohl unglaublich demotiviert, wenn ich mich noch stundenlang durch die Wehen gekämpft hätte, um dann letztlich DOCH eine PDA zu bekommen.
In den nächsten Stunden wir der Wehentropf beständig hochgeschraubt, bis rauf auf 80. Ich merke davon nicht viel, außer, dass der Druck etwas zunimmt und die Wehen regelmäßiger und weniger häufig kommen. Ich selbst muss mich von links nach rechts und wieder zurück drehen, um das Räuberchen ebenfalls zu einer Drehung zu motivieren. Von Untersuchung zu Untersuchung wird das Gesicht der Hebamme ernster, weil sich einfach nichts tut. Ich merke bei jeder Wehe einen starken Druck links und frage, woran das liegt. Sie fragt mich, wo genau das ist und sagt dann, dass es der Kopf des Räuberchens ist, der genau an dieser Stelle auf mein Becken drückt.
Um kurz vor 11:00 Uhr kommt die Hebamme mit der Gynäkologin und beide untersuchen mich noch mal. Sie drucksen dann ziemlich herum, bevor sie zum Punkt kommen: Das Räuberchen wird sich wahrscheinlich nicht mehr drehen. Den Wehentropf können sie nicht mehr höher dosieren, ohne Gefahr zu laufen, dass die Herztöne irgendwann schlecht werden. Bisher ging es dem Räuberchen gut, und man will nicht riskieren, dass sich das ändert. Sie sprechen dann aus, was schon lange im Raum stand und was ich irgendwie schon als Möglichkeit akzeptiert hatte: Es wird ein Kaiserschnitt. Lieber jetzt in Ruhe, wo die Herztöne noch super sind, als später einen Notkaiserschnitt zu riskieren.
Sie rufen dennoch den Oberarzt dazu, der mich auch nochmal untersucht und bestätigt: Das wird so nichts. Er ruft im OP an, wo gerade offenbar die Hölle los ist. Jedenfalls sagt die Hebamme, dass es noch 45 Minuten dauern wird, bis ich drankomme. Eine Ärztin erklärt uns noch, was auf uns zukommt und ich unterschreibe die Papiere. Die Hebamme sagt dann auch noch, was mit dem Räuberchen nach der Geburt passieren wird. Ich bin froh, dass Wert auf das Bonding gelegt wird, das in diesem Fall mein Mann übernehmen wird. Kurz darauf kommt der Oberarzt wieder und sagt: „Wir nehmen jetzt den Seiteneingang. Das wird uns zwar ein paar doofe Kommentare einbringen, aber Sie lächeln dann einfach, ok?“ Und schon geht’s los Richtung OP.
Im Vorbereitungsraum wuseln dann zig verschiedene Leute um mich herum und plötzlich geht alles ganz schnell: Ich werde in den OP geschoben, an allen Ecken und Enden zieht und zerrt man an mir herum und die PDA wird aufgespritzt, bis ich nichts mehr spüre. Ich liege da wie ein Stück Fleisch beim Metzger – nicht gerade angenehm und irgendwie ziemlich entwürdigend. Und dann geht’s los: Es ruckelt und wackelt und schaukelt wie blöd, es wird auf meinem Bauch rumgedrückt und mit einem Mal ist Ruhe und der Oberarzt sagt: „Natürlich, ein Mädchen!“ Sekunden später fängt das Räuberchen – unsere Tochter! – an zu schreien wie am Spieß. Sie hat eine unglaublich schrille, durchdringende Stimme und hört gar nicht mehr auf. Sie wird mir und meinem Mann kurz gezeigt und wir haben beide Tränen in den Augen. Sie ist da, und ihr geht es gut! Jemand sagt, dass mein Mann ruhig schon zu ihr gehen kann. Er verschwindet und kommt kurz darauf mit ihr zu mir zurück. Sie guckt mich mit offenen Augen an und bei mir fließen nur so die Tränen. Sie ist so süß, so absolut perfekt! Ich kann es nicht glauben, ich bin tatsächlich Mama! Die Kleine brüllt übrigens immer noch. Kurz darauf kommt die Hebamme und fragt, ob ich mich von ihr trennen kann, sie bräuchte jetzt dringend etwas Nähe. Mein Mann geht also, um mit ihr zu kuscheln. Währenddessen werde ich wieder zugenäht – der Oberarzt erklärt es einer Ärztin; entsprechend lange dauert es. Ich bin so ungeduldig, will doch endlich wieder zu meinem Mädchen. Ich heule die ganze Zeit und unterhalte mich nebenbei mit der Anästhesistin. Ich glaube, ich habe echt Blödsinn erzählt in diesem Moment.
Endlich sind sie fertig und ich werde in den Aufwachraum geschoben. Dort übergibt man mich mit den Worten „Das ist die Mama von dem Baby, das eben so geschrien hat!“ :-) Nun muss ich mich noch eine halbe Stunde gedulden, dann endlich ein Anruf und die Info an mich: „Ihre Tochter kommt!“ Und tatsächlich, kurz darauf kommen die Hebamme, mein Mann und meine Tochter. Sie weint immer noch. Die Hebamme hilft mir beim Anlegen und ich stille zum ersten Mal. Was für ein schönes Gefühl!
Kurz darauf dürfen wir dann auf Station. Jetzt bin ich doppelt und dreifach dankbar für das Familienzimmer, denn als die PDA nachlässt, sind die Schmerzen ziemlich heftig. Ich kann mich kaum rühren, geschweige denn die Kleine versorgen, und bin froh, dass ich sie nicht abgeben muss, sondern mein Mann diesen Job übernehmen kann. Erst in der Nacht auf Sonntag bin ich dann so fit, dass ich allein mit der Kleinen zum Wickeln gehen kann und es schaffe, sie selbst anzulegen etc..
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Im Nachhinein ist da einiges schief gelaufen und ich ärgere mich, in die typische "Interventionskaskade" geraten zu sein. Der Kaiserschnitt hängt mir noch immer sehr nach und mir fehlt da einfach etwas, zumal die Anfangszeit mit unserer Tochter richtig schwierig war. Sie hat im ersten halben Jahr viel geschrien und ich hatte oft das Gefühl, als Mutter zu versagen und ihr nicht gut genug zu sein. Inzwischen ist das überwunden und ich denke, wir haben eine enge Bindung.
Jetzt, mit der zweiten Schwangerschaft, kommt einiges wieder hoch. Ich hätte so gerne eine natürliche, selbstbestimmte Geburt, zweifle aber an meiner Fähigkeit zu gebären und habe einfach Angst.
Ich stehe nach dem Aquafitness-Kurs an der Bushaltestelle, als ich plötzlich merke, dass mein Slip nass wird. Ich denke mir nicht viel dabei, weil ich das in den vergangenen Tagen immer mal wieder hatte. Daheim mache ich zur Sicherheit noch einen pH-Test, der aber einen ganz normalen Wert anzeigt – also kein Fruchtwasser.
Donnerstag, 31.01.
Ich werde wach und merke, dass der Slip wieder nass ist. Außerdem ein nasser Fleck im Bett. Das kommt mir nun doch komisch vor. Also mache ich wieder einen pH-Test. Hm, könnten das dunkle Schlieren auf dem Indikatorstreifen sein? Aber sieht es SO aus, wenn es Fruchtwasser ist? Ich dachte, der Streifen ist dann ganz blau. Ich maile meinem Mann, der mich ermutigt, im Kreißsaal anzurufen. Das mache ich dann auch - dort ist man sehr entspannt: „Entweder zum Frauenarzt oder kurz vorbeikommen.“ Wir beschließen also, dass mein Mann heim kommt und wir dann ins Krankenhaus fahren. Bei der letzten Untersuchung bei der Frauenärztin vor zwei Wochen saß das Köpfchen noch nicht fest im Becken, ich müsste also eigentlich liegend transportiert werden. Da ich aber ja schon den ganzen Morgen rumgelaufen bin, ist das wohl hinfällig und wir fahren mit dem eigenen Auto. Die Kliniktasche nehmen wir nicht mit, denn „es ist eh nichts“. Mir ist die Aktion schon total peinlich und unangenehm, denn ich bin davon überzeugt, dass ich mir das einbilde und mein Mann nun völlig umsonst Minusstunden macht. So ein Geburtsanfang fühlt sich auch irgendwie falsch an.
Im Kreißsaal angekommen wird erst mal ein CTG geschrieben – keine Wehen, dem Räuberchen geht’s gut. Dann untersucht mich die Hebamme (Muttermund zu, Gebärmutterhals noch recht lang) und macht einen Test auf Fruchtwasser. Sie sagt noch „naja, es geht halt auch mal Urin ab, und bei der Untersuchung gerade kam ja auch nichts“. Immerhin kann sie mich hinsichtlich des Köpfchens beruhigen, es sitzt jetzt fest im Becken. Zwei Minuten später sagt die Hebamme ganz überrascht: „Oh, eindeutig, zwei Streifen! Ja, dann bleiben Sie hier!“ Ich bekomme Herzklopfen – ehrlich, wir bekommen jetzt unser Kind? Ich kann das gar nicht fassen.
Nun werde ich erst mal aufgenommen. Ich bekomme einen Zugang gelegt, mir wird Blut abgenommen und es wird ein Ultraschall gemacht und man erklärt mir, dass man die Geburt nun einleiten wird. Zum Glück denken wir noch daran, der Ärztin zu sagen, dass wir das Geschlecht des Räuberchens nicht kennen, sonst hätte sie sich wahrscheinlich verplappert. ;-)
Wir werden dann erst mal zum Mittagessen geschickt, weil man noch auf die Blutergebnisse warten möchte, um zu entscheiden, wie eingeleitet wird. Um 14:00 Uhr sind wir wieder im Kreißsaal, es wird erneut ein CTG geschrieben und ich bekomme zum ersten Mal das Geld zur Einleitung gelegt. Ich glaube, die erste Antibiotikum-Infusion läuft jetzt auch durch. Man will natürlich vermeiden, dass das Räuberchen durch den langen Blasensprung eine Infektion bekommt. Michi fährt nun erst noch mal heim, um die Tasche zu holen und im Geschäft anzurufen, dass er vermutlich nicht mehr kommen wird, da seine Elternzeit heute oder morgen beginnt.
Nachdem das CTG geschrieben ist, werde ich auf die Wöchnerinnen-Station verlegt, in ein Zweibettzimmer. Ich weiß gar nicht, was ich da jetzt tun soll, also gehe ich raus und warte vor der Klinik auf meinen Mann. Als er kommt, gehen wir erst mal Kuchen essen – die Kantine im Krankenhaus ist wirklich gut!
Um 17:20 muss ich mich wieder im Kreißsaal melden, und zwar – wie könnte es anders sein – zum CTG. Wir fragen nach einem Familienzimmer, denn ich kann mir nicht vorstellen, die Nacht ohne meinen Mann zu verbringen und womöglich im Zweibettzimmer Wehen zu veratmen. Leider sagt man uns, dass die Chancen sehr gering sind, weil die Station total voll ist. Die Hebamme ruft trotzdem auf Station an und leider bestätigt sich die Vermutung. :-( Eine Viertelstunde später kommt sie wieder und hat gute Nachrichten: Man hat es jetzt doch möglich gemacht und wir kriegen das allerletzte Familienzimmer! Yippieh!! Ich bin total erleichtert und gleich viel weniger angespannt.
Nach dem CTG beziehen wir also unser Reich für die – wie wir denken – nächste Nacht. Wir möchten ja gern ambulant entbinden. Nach dem Abendessen fährt mein Mann noch mal heim und holt ein paar Sachen, die wir vergessen haben, in die Kliniktasche zu packen.
Bis 20:15 Uhr passiert nicht so viel. Ich habe die ersten Wehen, die sich aber noch gut veratmen lassen. Ich liege auch noch recht entspannt im Bett und lese nebenher. Im Kreißsaal wird wieder ein CTG geschrieben und ich bekomme das zweite Mal Gel gelegt. Man möchte, dass es jetzt bald losgeht, weil der Blasensprung nun schon 24 Stunden her ist. Ich denke im Nachhinein, dass es ein Fehler war, das 2. Gel gleich hinterher zu legen. Zum Befund bei der Aufnahme hat sich jedenfalls noch nichts verändert, der Muttermund ist weiterhin zu.
Von 21:00 bis 23:15 Uhr sind wir in unserem Zimmer und ich muss nun schon ganz schön heftige Wehen veratmen. Mir ist es auch plötzlich total egal, dass nebenan und auf den Fluren Leute sind, die mich hören können. Es tut einfach nur weh und ich KANN gar nicht anders. Im Stehen lassen sich die Wehen am besten aushalten, Liegen geht schon fast gar nicht mehr. Die Abstände, in denen die Wehen kommen, sind unglaublich kurz, manchmal nur 50 Sekunden. Länger als 3-4 Minuten habe ich selten Pause.
Um 23:15 Uhr sind wir wieder im Kreißsaal, wo ich mich für’s CTG hinlegen soll. Das ist schon fast Folter. Es gäbe zwar auch ein kabelloses CTG, aber das hat wohl die Tendenz, gerade bei den Wehen zu verrutschen und dann im entscheidenden Augenblick keine Herztöne aufzuzeichnen. Also kämpfe ich mich durch die halbe Stunde Liegen durch. Die nächsten Stunden vergehen dann damit, dass ich über das Kreißbett gebeugt Wehen veratme und mein Mann mir das Kreuzbein massiert und mir immer wieder ein neues Kirschkernkissen holt. In den – immer noch sehr kurzen – Wehenpausen sitze ich auf einem Pezzi-Ball und möchte am liebsten nur schlafen. WENN ich mal eine längere Pause von 5 Minuten habe, ist das ein geniales Gefühl, das ich dann allerdings mit einer wesentlich schmerzhafteren Wehe im Anschluss bezahle. Die Hebamme erklärt uns, dass diese Wehen aber viel wirksamer seien als die kurzen, heftigen Wehen, die ich sonst habe.
Freitag, 01.02.2013
Um 4:00 Uhr beschließe ich, dass ich doch die Gebärwanne einmal ausprobieren möchte. Ich konnte mir das vorher nicht vorstellen, aber nun ist der Gedanke an warmes Wasser sehr verlockend, zumal ich glaube, dass meine Oberschenkel das Stehen nicht mehr lange mitmachen. Tatsächlich sind die Wehenpausen in der Wanne eine reine Wohltat, das warme Wasser entspannt zusätzlich und es fühlt sich echt gut an. Auch meinem Mann gefällt es, weil er recht entspannt hinter mir sitzen (und sich vom Massieren erholen ;-)) kann. Die Wehen selbst finde ich in der Wanne allerdings wieder schwerer auszuhalten. Nun untersucht die Hebamme mich auch noch mal, und das Ergebnis ist für mich echt ernüchternd: Der Muttermund ist erst 5 cm offen. Ich bin total entsetzt – ich glaube nicht, dass ich diese Wehen nochmal so lange aushalten kann, zumal ich auch langsam richtig müde werde und meine Kraft spürbar nachlässt. Immerhin sind wir jetzt auch schon einen ganzen Tag und eine ganze Nacht wach. Ich frage nach einer PDA, und die Hebamme sagt, dass es natürlich grundsätzlich möglich ist und sie auch verstehen könnte, wenn ich jetzt eine will. Ich hadere mit mir, denn eigentlich wollte ich partout keine PDA. Aber man weiß einfach vorher auch nicht, was auf einen zukommt. Nachdem ich noch drei heftige Wehen habe und mir vorstelle, dass das jetzt noch stundenlang so weitergehen muss, sage ich also um 4:45 Uhr, dass ich eine PDA möchte. Dazu muss ich natürlich aus der Wanne raus. Jetzt bekomme ich auch ein schickes OP-Hemd an.
Der Anästhesist kommt um 5:00 Uhr, sieht mich und sagt: „Unterschreiben wollen Sie wahrscheinlich erst hinterher, oder?“ Bis die PDA sitzt, wird es jetzt nochmal richtig ätzend, denn ich muss etliche Wehen im Sitzen veratmen, was fast noch schlimmer ist als im Liegen. Der Arzt macht seine Sache aber sehr gut, er arbeitet schnell und nutzt die Wehenpausen. Schon nach wenigen Minuten spüre ich, wie es mir deutlich (!) besser geht. Ich kann wieder mit meinem Mann reden, der Anästhesist macht ein paar Scherze und mir geht’s gut. Die Hebamme sagt, dass die Schmerzen noch vieeeel weniger werden, und ich antworte, dass mir das so schon ausreicht. Es ist aber dann wirklich so, dass ich gegen 5:45 nur noch einen Druck spüre, wenn eine Wehe kommt. Die Hebamme holt mein Bett aus unserem Zimmer, so dass mein Mann sich auch hinlegen kann, und wir dösen/schlafen erst mal bis 7:00 Uhr. Ich bin währenddessen natürlich voll verkabelt (CTG, Blutdruck, Sauerstoffsättigung) und lausche den Herztönen des Räuberchens. Dem geht’s gut, und das beruhigt mich.
Um 7:30 Uhr stellt sich eine neue Hebamme vor – das ist der dritte Schichtwechsel, den wir mitmachen. Es soll aber der letzte sein. Sie untersucht mich und stellt fest, dass der Muttermund jetzt 7-8 cm offen ist. Leider hat sich der Kopf des Räuberchens aber noch nicht richtig ins Becken eingestellt. Es will ein „Sternlesgucker“ werden, hängt aber mit der Stirn am Schambeinknochen fest. Ich soll mich auf die Seite legen, um das Drehen zu unterstützen, und bekomme zudem einen Wehentropf angehängt. Die Hebamme sagt mir, dass ich wohl spätestens für den Wehentropf eine PDA bekommen hätte, so dass meine Entscheidung in der Nacht goldrichtig war. Es hätte mich wohl unglaublich demotiviert, wenn ich mich noch stundenlang durch die Wehen gekämpft hätte, um dann letztlich DOCH eine PDA zu bekommen.
In den nächsten Stunden wir der Wehentropf beständig hochgeschraubt, bis rauf auf 80. Ich merke davon nicht viel, außer, dass der Druck etwas zunimmt und die Wehen regelmäßiger und weniger häufig kommen. Ich selbst muss mich von links nach rechts und wieder zurück drehen, um das Räuberchen ebenfalls zu einer Drehung zu motivieren. Von Untersuchung zu Untersuchung wird das Gesicht der Hebamme ernster, weil sich einfach nichts tut. Ich merke bei jeder Wehe einen starken Druck links und frage, woran das liegt. Sie fragt mich, wo genau das ist und sagt dann, dass es der Kopf des Räuberchens ist, der genau an dieser Stelle auf mein Becken drückt.
Um kurz vor 11:00 Uhr kommt die Hebamme mit der Gynäkologin und beide untersuchen mich noch mal. Sie drucksen dann ziemlich herum, bevor sie zum Punkt kommen: Das Räuberchen wird sich wahrscheinlich nicht mehr drehen. Den Wehentropf können sie nicht mehr höher dosieren, ohne Gefahr zu laufen, dass die Herztöne irgendwann schlecht werden. Bisher ging es dem Räuberchen gut, und man will nicht riskieren, dass sich das ändert. Sie sprechen dann aus, was schon lange im Raum stand und was ich irgendwie schon als Möglichkeit akzeptiert hatte: Es wird ein Kaiserschnitt. Lieber jetzt in Ruhe, wo die Herztöne noch super sind, als später einen Notkaiserschnitt zu riskieren.
Sie rufen dennoch den Oberarzt dazu, der mich auch nochmal untersucht und bestätigt: Das wird so nichts. Er ruft im OP an, wo gerade offenbar die Hölle los ist. Jedenfalls sagt die Hebamme, dass es noch 45 Minuten dauern wird, bis ich drankomme. Eine Ärztin erklärt uns noch, was auf uns zukommt und ich unterschreibe die Papiere. Die Hebamme sagt dann auch noch, was mit dem Räuberchen nach der Geburt passieren wird. Ich bin froh, dass Wert auf das Bonding gelegt wird, das in diesem Fall mein Mann übernehmen wird. Kurz darauf kommt der Oberarzt wieder und sagt: „Wir nehmen jetzt den Seiteneingang. Das wird uns zwar ein paar doofe Kommentare einbringen, aber Sie lächeln dann einfach, ok?“ Und schon geht’s los Richtung OP.
Im Vorbereitungsraum wuseln dann zig verschiedene Leute um mich herum und plötzlich geht alles ganz schnell: Ich werde in den OP geschoben, an allen Ecken und Enden zieht und zerrt man an mir herum und die PDA wird aufgespritzt, bis ich nichts mehr spüre. Ich liege da wie ein Stück Fleisch beim Metzger – nicht gerade angenehm und irgendwie ziemlich entwürdigend. Und dann geht’s los: Es ruckelt und wackelt und schaukelt wie blöd, es wird auf meinem Bauch rumgedrückt und mit einem Mal ist Ruhe und der Oberarzt sagt: „Natürlich, ein Mädchen!“ Sekunden später fängt das Räuberchen – unsere Tochter! – an zu schreien wie am Spieß. Sie hat eine unglaublich schrille, durchdringende Stimme und hört gar nicht mehr auf. Sie wird mir und meinem Mann kurz gezeigt und wir haben beide Tränen in den Augen. Sie ist da, und ihr geht es gut! Jemand sagt, dass mein Mann ruhig schon zu ihr gehen kann. Er verschwindet und kommt kurz darauf mit ihr zu mir zurück. Sie guckt mich mit offenen Augen an und bei mir fließen nur so die Tränen. Sie ist so süß, so absolut perfekt! Ich kann es nicht glauben, ich bin tatsächlich Mama! Die Kleine brüllt übrigens immer noch. Kurz darauf kommt die Hebamme und fragt, ob ich mich von ihr trennen kann, sie bräuchte jetzt dringend etwas Nähe. Mein Mann geht also, um mit ihr zu kuscheln. Währenddessen werde ich wieder zugenäht – der Oberarzt erklärt es einer Ärztin; entsprechend lange dauert es. Ich bin so ungeduldig, will doch endlich wieder zu meinem Mädchen. Ich heule die ganze Zeit und unterhalte mich nebenbei mit der Anästhesistin. Ich glaube, ich habe echt Blödsinn erzählt in diesem Moment.
Endlich sind sie fertig und ich werde in den Aufwachraum geschoben. Dort übergibt man mich mit den Worten „Das ist die Mama von dem Baby, das eben so geschrien hat!“ :-) Nun muss ich mich noch eine halbe Stunde gedulden, dann endlich ein Anruf und die Info an mich: „Ihre Tochter kommt!“ Und tatsächlich, kurz darauf kommen die Hebamme, mein Mann und meine Tochter. Sie weint immer noch. Die Hebamme hilft mir beim Anlegen und ich stille zum ersten Mal. Was für ein schönes Gefühl!
Kurz darauf dürfen wir dann auf Station. Jetzt bin ich doppelt und dreifach dankbar für das Familienzimmer, denn als die PDA nachlässt, sind die Schmerzen ziemlich heftig. Ich kann mich kaum rühren, geschweige denn die Kleine versorgen, und bin froh, dass ich sie nicht abgeben muss, sondern mein Mann diesen Job übernehmen kann. Erst in der Nacht auf Sonntag bin ich dann so fit, dass ich allein mit der Kleinen zum Wickeln gehen kann und es schaffe, sie selbst anzulegen etc..
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Im Nachhinein ist da einiges schief gelaufen und ich ärgere mich, in die typische "Interventionskaskade" geraten zu sein. Der Kaiserschnitt hängt mir noch immer sehr nach und mir fehlt da einfach etwas, zumal die Anfangszeit mit unserer Tochter richtig schwierig war. Sie hat im ersten halben Jahr viel geschrien und ich hatte oft das Gefühl, als Mutter zu versagen und ihr nicht gut genug zu sein. Inzwischen ist das überwunden und ich denke, wir haben eine enge Bindung.
Jetzt, mit der zweiten Schwangerschaft, kommt einiges wieder hoch. Ich hätte so gerne eine natürliche, selbstbestimmte Geburt, zweifle aber an meiner Fähigkeit zu gebären und habe einfach Angst.