Mein Krankenhaus-Geburts-Kampf 05/2010

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ka.fee

Mein Krankenhaus-Geburts-Kampf 05/2010

Beitragvon ka.fee » Fr 4. Mai 2012, 13:25

geschrieben am 14.06.2010

Unser Sohn Ulrich Alexander ist am 1. Mai zur Welt gekommen und jetzt über 6 Wochen alt. Den Geburtsbericht habe ich nach unserer Ankunft zuhause Mitte Mai geschrieben und gerade nochmal überarbeitet weil ich inzwischen gemerkt habe, daß es noch einiges gibt, das mich nicht los läßt. Ja, ich mache mir Vorwürfe daß meine Kraft nicht gereicht hat und frage mich immer wieder, ob ich Ulrich mit mehr Mut und noch mehr Kraft einen einfacherern Start hätte ermöglichen können ... :

Teil 1: Vorbereitung, Überraschung und Entscheidung

Von Beginn der Schwangerschaft war für mich klar, daß ich eine Geburt in den eigenen vier Wänden wollte. In den letzten Monaten hatte ich mich immer intensiver mit Alleingeburt beschäftigt. Ich wollte keine Einmischung in meine Geburt, bei meinem ersten Sohn fand ich die Hausgeburtshebamme zu aufdringlich. Geplant war, die Hebamme (mit der ich in der Vorsorge schon nicht ganz grün war, die aber hier in der Pampa konkurrenzlos ist) einfach „zufällig“ zu spät zu rufen und dann die U1 von Ihr machen zu lassen.
Errechneter Termin war der 2. Juni. Mein Mann war von Anfang an von einer Hausgeburt überzeugt – er behauptet heute, es sei seine Idee gewesen . Der Geburtspool war bestellt, die Besorgungen gemacht. Ich bin irgendwie den ganzen April schon daß Gefühl nicht los geworden, ich müsse alles am besten gestern fertig haben - beim ersten Kind war ich da viel entspannter.

Freitag Nachmittag, 30. April. Mein Mann fährt übers Wochenende mit unserem Sohn zu seinen Eltern, mir graut es vor der 2stündigen Fahrt und ich beschließe, ein ruhiges Wochenende allein zuhause zu verbringen.
Abends bei der Vorbereitung des Abendessens (19:00) platzt dann mitten in der Küche zwischen Kühlschrank und Herd meine Fruchtblase. 35+2. Erst war ich zwar überrascht, aber nicht beunruhigt. Ab dem 5. Mai wäre die Rufbereitschaft losgegangen, die 4, 5 Tage hin oder her… Ich habe versucht, die Hebamme zu erreichen, sie sollte wenigstens wissen, dass die Geburt demnächst los gehen würde. Wie das aber immer so ist: sie hatte noch keine Rufbereitschaft und war gerade nicht zu erreichen. Also habe ich angefangen, das Geburtszimmer herzurichten und habe meinen Mann angerufen. Eine Stunde später rief die Hebamme zurück und teilte mir mit, dass sie vor der vollendeten 36. Woche in keinem Fall zur Geburt kommen würde.
Ich bin in einen regelrechten Gedankenstrudel geraten:
Also entweder eine Alleingeburt bei Frühchen ohne U1 oder Krankenhaus. Für die erste Variante war ich einfach nicht taff genug. Gar nicht, weil ich das Gefühl hatte, die Geburt nicht zu schaffen – aber was, wenn der Kleine doch noch nicht ganz „fertig“ ist und Hilfe braucht?
Also hab ich erstmal im Krankenhaus um die Ecke angerufen. In diesem Telefonat wurde ich dann so angezickt und unfreundlich abgefertigt, daß sich dieser Geburtsort schnell erledigt hat. Ich habe dann in einem entfernteren Krankenhaus angerufen, von dem ich aus Erzählungen wußte, daß dort auch Beckenendlagen spontan entbunden werden und Wert auf "natürliche" (was auch immer das in einem Krankenhaus heißt) Begleitung einer Entbindung gelegt wird. Dieses Telefonat verlief deutlich besser und meine Entscheidung ist gefallen.
Als nächstes rief ich eine gute Freundin an um sie zu bitten mich zu chauffieren. Kaum saßen wir im Auto ging draußen ein wahnsinniges Gewitter los. Dazu strömender Regen. Wir waren dann gegen 22:00 im Krankenhaus und haben letztendlich länger gebraucht als mein Mann - der wartete mit überschlagenen Beinen am Noteingang auf uns.

Teil 2: Geburt oder wenn man Kraft verpulvern muß

Bei der Aufnahme im Krankenhaus mußte ich sehr an den Text von Odent denken, in dem er fragt wie denn bitteschön eine natürliche Geburt aussehen soll, die damit beginnt daß man wehend seinen Mädchennamen buchstabieren soll ... ich habe einen nicht ganz einfachen Mädchennamen.
Untersuchung, Muttermund 2 cm, Cervix noch komplett. Die Antibiotikaprophylaxe wegen des Blasensprungs habe ich abgelehnt.
Ich bin schon in den Eröffnungswehen ganz gut in meine Meditationsübungen abgetaucht.
Gegen 24:00 sind wir dann in den Kreisssaal gegangen, zum Glück ohne weitere Untersuchungen. Und zum Glück war keine weitere Entbindung im Gange! Ich bin also wehend-meditierend die Gänge auf und ab marschiert, mein Mann hat mich mit Wasser versorgt.
Dann: Hebamme: "Bitte suchen Sie sich doch einen Kreisssaal aus!" - Ich: "Am liebsten würde ich im Wasser entbinden." - Gyn: "Also entbinden im Wasser kommt bei Frühchen mit Blasensprung eigentlich nicht in Frage." Ich: "Aber für die Übergangsphase geht Wasser bestimmt." Hebamme: "Hm, schon... und dann..." Ich: "...und dann sehen wir weiter." Thema erledigt. Die sollten doch ruhig versuchen, mich aus der Wanne rauszukriegen. Wohl unnötig zu erwähnen, daß meine Wehen während der Störung (und auch aller noch kommenden Störungen) weg waren. Zum Glück hab ich immer recht schnell in meinen, in unseren Rhythmus zurückgefunden.
Die nächste Störung passierte dann in der Wanne kurz vor Ende der Übergangswehen, als ich mich geweigert habe ein DauerCTG machen zu lassen. Gyn: "Dann kann ich aber die Verantwortung für die Geburt nicht übernehmen!" - Ich hab ihr dann gesagt bzw. gekeucht, daß ich sowieso nicht vorhatte, diese Verantwortung abzugeben und daß ich ihr das auch gerne unterschreibe. Das haben dann sowohl mein Mann als auch ich getan und es hat mich nach einer längeren Wehenpause echt viel Kraft gekostet wieder in meine Geburt zurück zu finden. Aber zumindest keine Kabel am Bauch. Und meinen Muttermund wollte zum Glück auch keiner ständig kontrollieren.
Naja und dann ging's eigentlich recht flott: Ende Übergangswehen und drei Presswehen und unser Kind war da. 1:39 Uhr. Eine Wassergeburt. 50 cm, 2960 g. Die Hebamme hat bis dahin ihre Finger schön bei sich gelassen.
Mein Mann beschreibt die Geburt im Nachhinein als skurril, gerade das mit dem DauerCTG. Und mich haben die Störungen einfach viel Kraft gekostet. So viel Kraft, dass ich als das Kind auf der Welt war, einfach keine mehr hatte. Und nicht mitgekriegt habe, dass die Hebamme für meine Begriffe viel zu schnell die Nabelschnur abgeklemmt hat, gefühlt keine 10 Minuten nach der Geburt und vor der Geburt der Plazenta, die etwa 30 Minuten nach dem Baby kam.

Teil 3: Nach der Geburt

Ich habe gleich nach der Geburt gemerkt, daß etwas nicht in Ordnung ist: Ulrichs Atem war so laut, unregelmäßig, hektisch und keuchend. Die Apgar-Werte waren mit 9/10/10 zwar gut und der Kinderarzt meinte erst, das Keuchen gäbe sich in 1-2 Stunden, tat es aber nicht. Im Gegenteil, es wurde immer schlechter.
Was mich heute in Gedanken noch sehr verfolgt ist die Tatsache, dass ich keine Kraft mehr hatte um zu verhindern, dass Ulrich etwa eine Stunde nach der Geburt auf die Säuglingsstation gebracht wurde während ich noch zur Beobachtung im Kreißsaalbereich bleiben musste. Mein Mann hat ihn zwar begleitet, mich schmerzt es aber immer noch. Ulrich hat nach der Geburt die Augen nicht geöffnet und ich hatte die Stunde, die wir getrennt waren, wahnsinnige Angst dass er sterben und ich ihm nie in die Augen schauen könnte. Auch wenn das nicht wirklich zu befürchten war. Er musste aber noch fast 2 Wochen im Inkubator künstlich mit Sauerstoff versorgt werden weil seine Lungen noch nicht ausgereift waren und der Kreislauf sich noch nicht auf „geboren“ umgestellt hatte. Durch die KH-Geburt hatte ich selbst im KH ein Zimmer und konnte die ganze Zeit bei ihm bleiben.
Bevor wir das Krankenhaus verließen haben sich dann doch tatsächlich sowohl die Hebamme als auch die Gynäkologin bei mir bedankt, so eine selbstbestimmte Geburt hätten sie noch nie erlebt, man hätte richtig gemerkt, daß ich "einfach nur mein Kind zur Welt bringen wollte" und das wäre leider sehr unüblich.

Teil 4: Mein Fazit

Mit enorm viel Willen, Kraft und Durchsetzungsvermögen ist es nicht unmöglich, auch im Krankenhaus halbwegs selbstbestimmt zu gebären. Nur ist das eine echte Grenzerfahrung und nur mit viel Kampfgeist zu bewältigen. Ohne den bewußten Rückzug in meine Meditation wäre es für mich wahrscheinlich unerträglich gewesen. So habe ich zumindest meine Wassergeburt ohne CTG erkämpft und dabei die Außenwelt soweit ausblenden können, dass es zu keinen schwereren Komplikationen unter der Geburt gekommen ist. Diese Geburt war denke ich UNTER DIESEN UMSTÄNDEN das Optimum, was ich im Rahmen meiner Kräfte erkämpfen konnte. Aber weit vom eigentlichen Optimum entfernt.

Als Tip: am besten regelt man den Papierkram, den ich während starker Wehen erledigen mußte, VORHER! Wir wußten es einfach nicht und haben nicht damit gerechnet.

Gummibär

Re: Mein Krankenhaus-Geburts-Kampf 05/2010

Beitragvon Gummibär » Fr 4. Mai 2012, 13:59

Respekt

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Jorinde
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Re: Mein Krankenhaus-Geburts-Kampf 05/2010

Beitragvon Jorinde » Fr 4. Mai 2012, 14:28

Bevor wir das Krankenhaus verließen haben sich dann doch tatsächlich sowohl die Hebamme als auch die Gynäkologin bei mir bedankt, so eine selbstbestimmte Geburt hätten sie noch nie erlebt, man hätte richtig gemerkt, daß ich "einfach nur mein Kind zur Welt bringen wollte" und das wäre leider sehr unüblich.
wuuaaaahh
Du Löwin!
Ich kann mir das gut vorstellen, wie Du gefaucht hast!
Toll, dass Du die Verantwortung nicht abgegeben hast!
Auf die Löwenmutter!!!! :applaus: ... und darauf, dass Dein Bericht ansteckend wirkt, für Jede, die sich auch ins KH begeben will/muss!
Januarmädchen 2007 * Geburtshaus
Februarjunge 2012 * Alleingeburt
Dritter Topfkuchen im Ofen * Backzeitende Anfang August

Coaching für eine selbstbestimmte Schwangerschaft & Geburt: http://www.jobina.de

ka.fee

Re: Mein Krankenhaus-Geburts-Kampf 05/2010

Beitragvon ka.fee » Fr 4. Mai 2012, 15:04

Aus heutiger Sicht kann ich noch ergänzen:

Ich würd in dem Fall nicht mehr ins Krankenhaus gehen sondern lieber allein zuhause gebären und dann mit dem Kind ins Krankenhaus gehen wenn was fehlt. Grade einem Frühchen kann man bestimmt durch eine entspannte Geburt einiges ersparen.

Die Nabelschnur so früh zu kappen hat sicher nicht dazu beigetragen, Ulis Zustand zu verbessern.

Außerdem hat sich nach der Rechnungsstellung des Krankenhauses noch rausgestellt, daß sie völlig überdiagnostiziert haben. War das ein Theater, emotional kaum zu stemmen: Warum ist der Kleine so schlecht beisammen? Fachärzte aus Schwesterklinikum angefordert. Hirnultraschall. Herzultraschall. Ah, Grund gefunden. Foramen ovale noch nicht geschlossen... Und dann stellt sich Wochen als die Krankenkasse die Rechnung prüft raus, daß alles völlig dem normalen Entwicklungsstand eines Babys in der 36./37. SSW entspricht - und die Krankenhausrechung von 5.000 auf nur gut 2.000 € gemindert wurde. Ohne Große Beschwerden oder Einwände von KH-Seite. Oh war ich sauer. Ums Geld geht's mir nicht aber meine Nerven bezahlt mir niemand. Kein: "Machen sie sich mal keine Sorgen, ist alles völlig normal!".

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Elsa
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Re: Mein Krankenhaus-Geburts-Kampf 05/2010

Beitragvon Elsa » Fr 4. Mai 2012, 18:54

Hammer was du da gewuchtet hast!

*mehr fällt mir gar nicht, weils echt der Hammer ist :wink2:
Was niemand tut, wird nie getan

Ich habe den Kampf gegen die Waage gewonnen- soll sie doch selber sehen, wie sie an neue Batterien kommt.

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Re: Mein Krankenhaus-Geburts-Kampf 05/2010

Beitragvon die eule » Fr 4. Mai 2012, 19:03

großer respekt! und der satz von hebamme und ärztin ist ja wohl eine absolute farce :klatsch:
*7/2010* die Große, HG
*6/2014* der Wilde, AG
*11/2017* die Verrückte, HG

Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute; seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben.
- George Bernard Shaw -

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Re: Mein Krankenhaus-Geburts-Kampf 05/2010

Beitragvon Axomonster » Fr 25. Mai 2012, 09:45

:clap:
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Goldjunge 01/14 HG mit Hebamme
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Re: Mein Krankenhaus-Geburts-Kampf 05/2010

Beitragvon brummel » Fr 25. Mai 2012, 10:18

Ich bewundere deine Stärke!!!

Wie geht es deinem Uli denn heute?
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zicke-deluxe

Re: Mein Krankenhaus-Geburts-Kampf 05/2010

Beitragvon zicke-deluxe » So 3. Jun 2012, 14:01

ich sollte auch unter der geburt von unserem kleinen sohn alles "bekommen" was die im kh so in petto haben... NUR weil sie wußten das ich nicht DA sein wollte... das war auch ein ding der unmöglichkeit! von wehentropf über zange zum schluß kaiserschnitt- habe alles verneint! als die dort das wort kaiserschnitt sagten bin ich aufgesprungen und habe gesagt ich gehe nun nach hause, was ich sowieso wollte und bekomme mein kind dort-ALLEIN! fanden se nicht so lustig und sagten noch "besprechen wir mit ihrem mann, der wird uns recht geben...
ich habe nur genickt... als mein mann kam und die ihm den zettel hinhielten fragte er nur ob die nun völlig spinnen! :hurra: ich habe da echt gefeiert,als er das sagte (hatte auch mit nichts anderem gerechnet)! 15 minuten später war unser kleiner da. diese ganze "arie" und noch einiges mehr hat sich in 90 minuten abgespielt... ich war nur am zicken-ich habe mich echt gefragt, wer da die hebamme ist...

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Re: Mein Krankenhaus-Geburts-Kampf 05/2010

Beitragvon weib1969h » So 3. Jun 2012, 16:09


:rosabrille:
So viele Hüte, wie ich ziehen möchte, gibt es grad nicht!
Katharina, das war eine tolle Leistung! :clap:

:love: :princess: :flagge:



Kleiner Tipp: wenn Du beim nächsten Kindelein NACH der Geburt ins Krankenhaus fahren solltest(was nicht passiert, denn es wird fit sein).... Sei gewärtig, dass NUR DAS KIND stationär aufgenommen wird und Du im Zweifel auf einem harten Stuhl als Frischwöchnerin stillen und beim Kinde sein darfst. Sofern Du nicht in dem Krankenhaus geboren hast, bist DU keine aufnahmefähige Patientin.
Wobei ich bei Deiner Löwenkraft damit rechne, dass Du das auch regelst. :bissig: :clap:

Yvonne
Hummelin 11/2012 AG Strahlekeks 09/2010 HG Traumsohn 02/2008 HG
Wunschtochter 12/93 KH Wunschtochter 08/92 KH Kurzglück 07/14+12/15 HG 09/20 :candle:


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