Nach vier Wochen mit Temperaturen um und über 30 Grad kann ich kaum erwarten, meinen dicken Babybauch und die Begleiterscheinungen los zu werden. Ich habe das Gefühl, dass sie früher kommen möchte, aber alle raten mir zu Geduld. Eine Woche vor der Geburt habe ich plötzlich keine Lust mehr viel zu unternehmen. Ich hänge etwas unglücklich zuhause herum und sehe tv.
Einen Tag vorher fällt mir plötzlich ein, ich könnte noch Staub wischen und letztes Projekt abschließen. Um sechs kommt Mann nach Hause und wir unterhalten uns noch etwas, bevor er noch eben die Lampen anbringt (Gott sei Dank ist er fertig geworden). Als ich abends auf Toilette gehe, bohrt er gerade. Ich habe das Gefühl, dringend groß zu müssen und presse ganz vorsichtig. Da knackt es plötzlich lautstark auf der linken Seite zweimal. Ich denke, das ist bestimmt meine locker gewordene Hüfte, als plötzlich viel Flüssigkeit aus mir herausläuft. Da dämmert mir, dass das jetzt vielleicht ein Blasensprung war. Ich warte und es hört auf. Ich will mich schon wieder anziehen, da kommt noch mehr und mehr. Aber immer wieder pausiert das Laufen. Noch dazu muss ich nun wirklich, wirklich dringend auf Klo. Ich rufe Mann und sage bangend: „Ich glaube, meine Fruchtblase ist gesprungen.“ Er guckt mich groß an und fragt mich, ob ich mir sicher bin. Bin ich natürlich nicht. Also rufen wir die Hebamme Pia an und fragen nach. Wir entschließen uns, noch etwas abzuwarten, da kommt nach einer Bewegung von meinem Spatz der nächste Schwall Fruchtwasser. Auf Toilette bin ich mir sicher; so viel Pipi kann gar nicht in mir sein.
Langsam bekomme ich auch Wehen. Um acht rufen wir Pia an und sagen Bescheid, dass es wirklich los geht. Und das obwohl es noch viel zu früh ist. Fünf Minuten später klingeln die Nachbarn wegen einer Frage. Ich würde fast lachen müssen, würde ich nicht versuchen, die nächste Wehe möglichst geräuschlos zu überstehen, damit niemand einen Krankenwagen ruft. Mann und ich werden etwas panisch und hektisch und ich keife ihn an, endlich dieses Bohrmaschinen-chaos wegzuräumen. Schon werden die Wehen so stark, dass es richtig weh tut. Sie sind noch unregelmäßig, aber sehr häufig. Ich bin überrascht, wie wenig mir meine ganze Vorbereitung etwas nutzt. An richtiges Atmen kann ich gar nicht mehr denken. Mir ist auch noch total übel, was mir sehr zusetzt. Wir rufen Pia nochmal an, da ich sicher bin, dass Spatzi es eilig hat.
Um zehn kommt Pia dann an. Ich bin sehr froh, sie zu sehen, denn jetzt kann es los gehen. Wir haben derweil einiges vorbereitet und ein „Nicht stören!“ Schild aufgehängt. Pia breitet erst einmal ihre Materialien aus. Mann lässt mir inzwischen eine Badewanne ein, doch ich habe gerade gar keine Lust mehr auf Wasser. Mein Muttermund ist sehr zu meinem Erstaunen erst 2cm offen. Ich bin etwas enttäuscht, dass die heftigen Wehen noch so wenig bewegt haben, obwohl mein Gefühl mir sagt, dass da viel vorwärts geht (Im Nachhinein glaube ich, dass ich erst locker lassen konnte, als die Hebamme da war). Kaum bin ich in der Wanne drin, kommt schon die nächste heftige Wehe. Plötzlich bin ich mir sicher, das alles nicht zu schaffen und brülle nach einem Kaiserschnitt. Also haken wir die Wanne ab. Ganz verängstigt fange ich an zu zweifeln, aber Pia macht mir wieder Mut, dass ich alles gut und richtig mache. Nun laufe ich viel auf und ab und versuche, bei den Wehen mitzugehen und meinen Unterleib zu entspannen. Immer wieder raubt mir eine Wehe buchstäblich den Atem und ich weine viel. Mir ist sehr schlecht und ich will mich nicht übergeben müssen. Ich habe das Gefühl, nicht sehr tapfer mit der Geburt umzugehen, aber die Hebamme ermutigt mich immer wieder. Ich liege viel auf der Seite im Wohnzimmer auf der Couch oder hocke davor. Mann hält meine Hand und lässt sich quetschen. Langsam bezweifle ich, das alles meistern zu können, da sagt mir Pia, dass mein Muttermund schon fast auf ist. Es ist erst kurz nach zwölf. Jetzt ist uns klar, warum ich so starke Wehen habe. Spatzi arbeitet sich mit Hochgeschwindigkeit aus mir heraus. Plötzlich muss ich pressen. Pia ermutigt mich auch dazu, aber ich habe Angst zu reißen. Plötzlich fühlt sich alles sehr real an und die Angst, wie viel schlimmer die Schmerzen jetzt werden, lässt mich zögern.
Die Wehen werden schwächer und ich genieße zwar die Pause, aber uns ist auch klar, dass ich wieder mehr pressen muss. Pia redet mir gut zu und ermuntert mich aufzustehen. Kaum gehe ich mit zitternden Beinen durch das Wohnzimmer kommen die Wehen im zwei-drei Minutenabstand und ich kann wieder mit pressen. An Manns Schulter verheule ich eine starke Presswehe nach der nächsten. Die Hebamme lässt mich das Köpfchen im Scheideneingang fühlen. Dann gehe ich wieder auf den Hocker.
Ein kleiner Saum des Muttermundes steht noch und behindert die Geburt. Pia versucht ihn mit dem Finger beiseite zu schieben. Es tut unglaublich weh, aber gleichzeitig hilft mir der Schmerz zu pressen. Ich muss da nun durch weiß ich jetzt und presse mit. Der Stillstand ist definitiv vorbei und nun gibt es kein Zurück mehr. Als der Kopf anfängt heraus zu kommen zerreißt gefühlt alles an mir, aber ich werde langsam wütend und presse weiter. Inzwischen hocke ich auf einer Ferse und knie auf dem anderen Bein. Mann sitzt hinter mir und stützt mich. Die Schmerzen sind so stark, nun auch in den Pausen, dass ich einmal laut und unkontrolliert aufschreien muss. Dann sind sie plötzlich weg und ein Köpfchen hängt aus mir heraus. Ich weiß, dass ich noch eine Wehe pressen muss, bis mein Baby kommt. Das ermutigt mich. Die letzte Wehe kommt und Spatzi liegt plötzlich vor mir auf dem abgedeckten Boden.
Ich sehe sie dort liegen und bin ganz baff. Ich frage mich, ob ich sie hochheben darf, dann fällt mir ein, das ist mein Kind! Ich darf! Und ich packe mir meine Tochter auf den Bauch. Sie schreit gleich kräftig und wird rosiger. Wir wickeln uns ein. Ich bin total überwältigt und weiß gar nicht richtig, wie ich sie halten soll. Vor allem, da die Nabelschnur noch in mich führt. Nach einiger Zeit kommt auch die Plazenta und wir sind alle erleichtert. Mann schneidet die dicke Nabelschnur durch und Pia gratuliert uns.
Nun können wir auf die Couch und kuscheln. Pia kümmert sich um alles und untersucht Spatzi nun auch. Trotz des frühen Termins bringt sie stolze 3200g auf die Waage und ist völlig wach und reif. Nach einiger Zeit des Staunens gehe ich mit Spatzi aufs Bett und sehe sie weiter verliebt an, während Mann und Hebamme alles aufräumen und erledigen. Ich fühle mich unheimlich geborgen und entspannt und bin so froh, dass mich niemand ernst nahm und ich jetzt nicht zwischen Fremden und Apparaten im Krankenhaus liege. Wir kuscheln dann noch lange in den dämmernden Morgen zu dritt und sind zu und glücklich und aufgedreht, um überhaupt an Schlaf zu denken.