Wassergeburt im Wohnzimmer

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Josie2013
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Wassergeburt im Wohnzimmer

Beitragvon Josie2013 » Do 2. Mär 2023, 15:07

Unser Baby ist jetzt schon über 5 Monate alt und bei den anderen beiden Hausgeburten hatte ich schon nach ein paar Tagen den Bericht verfasst, diesmal habe ich mich damit schwer getan und es vor mir hergeschoben, aber die Erinnerung wird ja nicht besser mit der Zeit und ich denke, dass es gut ist, wenn ich das Ganze nochmal geordnet aufschreibe. Das Meiste habe ich ca. 4 Wochen nach der Geburt fertiggeschrieben. Die Uhrzeiten habe ich mit Hilfe der Geburtsnotizen der Hebamme ergänzt.

Wer in meinem Schwangerschaftstagebuch gelesen hat, weiß, dass diese Schwangerschaft sehr kräftezehrend war, gegen Schluss hin war ich abends dankbar für jeden Tag, den ich wieder geschafft hatte und ich hatte in den letzten Wochen solche Schmerzen, dass ich viel geweint habe. Das Baby war allerdings immer fit und entspannt. Prophezeit wurde mir ein langes, aber schlankes und eher leichtes Kind, die Zweithebamme mit 30 Jahren Berufserfahrung sprach von unter 3500g. Das entsprach auch meinem Minibauch mit 98cm Umfang und der Gewichtszunahme von insgesamt ca. 9kg. Die Hebammen waren ratlos, woher die Schmerzen in meinem Becken kamen, abgesehen von der Symphysenlockerung natürlich. Zwei Mal gab es außerdem einen Fehlalarm. Bei der letzten Vorsorge vor der Geburt riet die Hebamme, dass wir über sanfte Einleitungsversuche nachdenken sollten, da meine Kräfte allmählich zur Neige gingen und das Kind schon gut startbereit war. Ich wollte es aber noch mit Zuwarten probieren.

Am 16.09. hatte ich wieder eine schlaflose Nacht mit Wehen und Schmerzen hinter mir und am späten Vormittag stand eine Vorsorge an, ich war bei 40+2. Als mein Mann sah, wie ich wieder einmal weinend im Vierfüßler auf dem Sofa das Becken schaukelte, bot er an, in die Stadt zu fahren, um Rizinusöl zu holen. Das hat mich sehr erleichtert, ich habe mich bei diesem Gedanken, es nicht mehr mit Zuwarten zu schaffen nämlich total schuldig und wie eine Versagerin gefühlt. Die Amme hielt unsere Entscheidung für eine gute Idee und so habe ich mir gegen 12 Uhr eine warme Milch mit 3ml Rizinusöl zubereitet. Danach ging es mir psychisch sofort besser, es fiel eine große Last von mir ab und ich konnte mich wieder auf die Geburt freuen. Den Tag über tat sich allerdings nicht viel, sodass ich in Absprache mit der Amme gegen 20 Uhr abends einen zweiten Versuch startete mit „Rizinusmilch“. Die beiden „Mittelkinder“ (8 und 6 Jahre) waren schon im Bett und den Großen (fast 13) haben wir informiert und vorgewarnt, er wollte bei der Geburt gegen Schluss hin dabei sein.

Mein Mann und ich machten es uns mit einem Film im Bett gemütlich. Gegen 21.30 Uhr habe ich mir noch ein Brot gemacht, für den Fall, dass es später losgehen würde. Ca. um 22 Uhr setzten bei mir dann schmerzlose, aber irgendwie „geburtige“ Wehen ein. Ich wollte die Abstände messen, sie waren gleich bei 1,5 Minuten, sodass ich den Film ausmachte und meinen Mann bat, mit meinem großen Sohn den Pool aus dem Keller zu holen. Dieser war vom Fehlalarm eine Woche vorher noch halb aufgeblasen. Mein Mann kam nach einer Weile entspannt zurück und meinte, dass der Große noch eine Runde bei seinem PC Spiel beenden wollte und sie demnächst dann loslegen würden. Da habe ich ihm mit Nachdruck gesagt, dass der Große jetzt sofort ausmachen soll und sie JETZT den Pool aufbauen müssen, und ich der Hebi Bescheid gebe. Nun merkte mein Mann, dass es ernst ist und beeilte sich. Ich war nun allein im Schlafzimmer und überlegte, ob ich die Hebi schon anrufen wollte, da ich ja wusste, dass ich auf ihre Anwesenheit bzw. jegliche Störung sehr empfindlich reagiere und die Wehen dann vielleicht wieder nachlassen würden. Aber da die Wehen so schnell kamen, entschied ich mich gegen 22.15 Uhr dazu, sie anzurufen und ihr meine Sorgen wegen eines Fehlstarts mitzuteilen. Sie meinte, dass ich versuchen soll, mir darüber keine Gedanken zu machen und sie sich in Ruhe auf den Weg machen würde.

22.50 Uhr: Hebi kommt ganz leise ins Schlafzimmer, hört die Herztöne beim Baby und flüstert mir zu, dass sie wieder ins Wohnzimmer geht. Ich habe mich dann für ca. eine Stunde allein im Schlafzimmer aufgehalten und dort die Wehen veratmet und versucht, mich zu entspannen. Unterschwellig hatte ich aber noch unglaublichen Druck, dass ich jetzt unbedingt eine Geburt hinkriegen müsste und die Wehen auf keinen Fall wieder aufhören dürfen. Das war natürlich total kontraproduktiv.

23.55 Uhr: Ich gehe ins Wohnzimmer, wo mein Mann noch einen Snack isst und die Hebamme am Tisch schreibt. Ich teile ihr mit, dass die Wehenabstände gerade wieder größer werden und die Wehen meiner Meinung nach mit ca. 40 Sekunden noch zu kurz wären. Ich habe das Gefühl, dass mich innerlich etwas blockiert. Sie meint, dass nur ich wissen könne, was in mir vorgeht und bietet mir eine Untersuchung an, die ich dankbar annehme. Der Muttermund ist ca. 3cm geöffnet und wulstig, die Hebi massiert ihn etwas und erklärt, dass die Fruchtblase recht prall stehen würde. Sie ist ganz vorsichtig und es tut nicht weh, aber irgendwann wird es doch unangenehm und ich bitte sie aufzuhören, da hört sie sofort auf. Danach kommen die Wehen mit ca. 3 Minuten Abständen. Die Hebamme spricht mir Mut zu, dass die Geburt auf einem guten Weg sei und ich ruhig abwarten könne. Ich mag dann nicht mehr allein sein und bleibe im Wohnzimmer auf dem Pezziball. Es ist alles ganz still in der Wohnung, bis auf das leise Plätschern des Wassers im Poolschlauch. Ich mache über mein Handy dann noch meine Lieblingsentspannungsmusik an. Es ist schön warm im Raum, der nur vom Kerzenlicht erhellt wird.

0:35 Uhr: Jetzt merke ich, dass die Wehen sich verändern und wieder kräftiger, länger werden und schneller kommen. Kurz darauf ist der Pool voll und ich steige hinein. Irgendwann zwischendurch schicke ich meinen Mann schlafen. Ich bin dann für lange Zeit im Pool, meist im Vierfüßler, die Hebi liegt auf dem Sofa in einer Ecke und döst. Ich bin ganz bei mir, lausche auf die Musik, beobachte die Kerzen und spüre die Wärme des Wassers. Das ist unbeschreiblich schön. Ich habe überhaupt keine Schmerzen, sondern lasse mich von den Wehen wie auf Wellen tragen, auch als ich beginne, zu tönen. Nach etwa einer halben Stunde wird mir kalt und die Hebi versucht, heißes Wasser nachzufüllen, dafür weckt sie ab und zu auch meinen Mann, der aber kaum ansprechbar ist, weil er so weggetreten ist. Zwischendurch hört sie immer mal die Herztöne beim Baby, aber meist macht sie das so diskret und leise, dass ich es kaum mitbekomme, so sehr bin ich bei mir. Plötzlich geht meine Musik aus und ich bekomme sie nicht mehr zum Laufen. Die Hebi holt wieder meinen Mann, der lässt die Musik über die Playstation laufen, dafür muss aber der Fernseher angeschaltet sein und die Helligkeit des Bildschirms stört mich, also holt er ein Handtuch zum Abdecken… Sofort sind die Wehenabstände wieder länger und ich brauche etwas, um zurück in meine Trance zu finden. Die Hebi macht mir aber wieder Mut, dass das gleich wieder besser wird. Ich sage ihr, dass ich merke, wie ich mich innerlich immer noch unter Druck setze, dass die Geburt so und so schnell gehen müsste und dass ich jetzt beschließe, damit mal aufzuhören.

1:53 Uhr: Ich entschließe mich, meinen Mann zu wecken, damit er einmal Wasser tauscht, der Pool ist zu voll und das Wasser zu kalt. Mein Mann war davor ja etwas weggetreten, aber als ich neben ihm stehe und ihm sage, dass ich hier gerade sein Kind bekomme und er jetzt sofort für warmes Wasser sorgen muss, springt er mit einem Satz aus dem Bett und ist sofort bei der Arbeit. Ich kuschele mich in meinen Bademantel und lege mir zwei Bettdecken über, so baue ich mir eine warme Höhle auf unserem Bett und verarbeite dort zwischenzeitlich weiter die Wehen. Mein Mann läuft dank meiner direkten Ansprache auf adrenalinbefeuerten Hochtouren und hat innerhalb von 15 Minuten den Pool neu befüllt, wie auch immer er das geschafft hat.

2:08 Uhr: Ich bin wieder im Pool, es ist so herrlich. Ich bin so glücklich, dass ich mir bei meiner vierten und letzten Geburt diesen Traum endlich erfüllen kann und es ist so schön wie ich es mir immer ausgemalt hatte. Der Boden ist so weich und ich kann jede Position einnehmen, die sich gut anfühlt, ohne Anstrengung. Ich sage meinem Mann, dass er jetzt bei mir bleiben soll und er setzt sich vor mich auf den Boden und hält meine Hand während der Wehen. Ich habe mir ein Handtuch über den Poolrand gelegt, in das ich hineintöne, damit ich die Kinder nicht wecke. Die Hebi meint, ich soll die Wehenpausen auch richtig nutzen oder so, es kommt ihr wohl so vor, als ob ich mit den Wehen auch noch zu tun hätte, wenn sie vorüber sind. Dem ist aber nicht so, tatsächlich sind die Wehen schmerzfrei und was mir zu schaffen macht, sind die verdammten Beckenschmerzen zwischen den Wehen. Das kann ich ihr aber nicht sagen, bin zu vertieft in meine Gebärtrance.

2:10 Uhr: Die Hebamme meint, sie würde gleich gern die Zweithebamme dazurufen, weil die Geburt gegen Ende zugehe. Das wundert mich total, da ich immer noch gar keine schmerzhaften Wehen habe und mir denke, dass es bei der Intensität eigentlich noch ewig dauern müsste. Also wartet die Amme noch ab.

2:16 Uhr: Kräftige lange Wehe, jetzt ruft die Hebamme die Zweithebamme an und lehnt für sie die Wohnungstür an. Herztöne sind immer super, das Baby schläft bis jetzt die meiste Zeit über.

2:28 Uhr: Ich merke so langsam Druck, vor allem zum Darm hin. Die Wehen kommen alle 2 Minuten, jetzt wird das Baby offenbar endlich mal wach und bemerkt, was hier vonstatten geht, jedenfalls dreht und ruckelt Madame sich ordentlich zurecht. Ich versuche, sie zu unterstützen und nehme eine seitliche Position ein, stemme mein rechtes Bein oben gegen den Poolrand und denke mir noch, dass es faszinierend ist, wie ich doch vorhin an Land noch gestrandeter Wal war und hier im Wasser turne ich in den Wehen mit der Leichtigkeit einer Nixe.

2:41 Uhr: Mir fällt ein, dass der Hund im Wohnungsflur liegt und die Zweithebamme nicht kennt, das könnte ihm missfallen, wenn diese die Wohnung betritt. Also sage ich es meinem Mann und in dem Moment hören wir auch schon den Hund knurren. Mein Mann ruft den Hund zu uns herein, der legt sich halb auf den Schoß meines Mannes und dieser hat somit nur noch eine Hand für mich frei, das macht mich richtig aggressiv, ich brauche jetzt meinen Mann für mich allein und sage, dass er den Hund rausschmeißen soll. Mein Mann will das nervöse Tier nochmal schnell in den Garten pieseln lassen. Ich bin also kurz mit den Hebammen allein und sage, dass es ganz schön auf den Darm drückt. Eigentlich habe ich wenig Ambitionen, mich im schönen Pool zu entleeren, aber irgendwie ist es mir auch egal. Meine Hebi meint, dass ich einfach loslassen und nicht drüber nachdenken soll. „Hach ja“, sage ich, „ein Schmerzmittel wäre jetzt schon irgendwie schön“. „Das würde jetzt auch nicht mehr wirken“, meint die Amme. „Aber noch habe ich Kraft“, sage ich. Ich glaube, dass die Fruchtblase gleich springt. Für die nächste Wehe greife ich nach der Hand meiner Amme, mittendrin kommt auch schon mein Mann zurück, ich habe ihn gar nicht bemerkt, spüre nur seine warme Hand auf meiner Schulter und einen Kuss im Nacken.

3:02 Uhr: Ich bewege mich wieder seitlich und in der Wehe spüre ich die Fruchtblase springen. Das Fruchtwasser strömt klar in den Pool. Mir wird kurz schlecht, das vergeht aber schnell wieder.

3:04 Uhr: Was jetzt passiert, kann ich nur schwer wiedergeben, mir fehlen große Stücke der Erinnerung. Ich habe keine Presswehen, das Baby rauscht einfach durch mich durch, es ist das Schrecklichste, was ich je gespürt habe, mich zerreißt es, ich kann nicht atmen. Ich habe das Gefühl, als ob ein Teil von mir im Wasser wäre und ein Teil darüber, der ertrinkt. Kein Halt, ich spüre meine vor Angst aufgerissenen Augen und schaue ertrinkend und rudernd umher, zu meiner Hebamme: „A., hilf mir! Ich kann nicht!“ „Doch, du kannst!“ „Ich werde ohnmächtig!“ Ich habe Todesangst! Hyperventiliere, suche immer noch nach Halt und Rettung, die Amme leitet mich zum Atmen an, aber ich kann nicht. Und dann spricht mein Mann mich an, ich klammere mich mit meinem Blick an seinen Augen fest, er hält mich und atmet mit mir, und ich beruhige mich. Presswehen immer noch keine, aber ich bin im „Autopilot“, ich mache einfach mit, lasse geschehen, bin mit Atmen beschäftigt. Eine einzige Presswehe kommt dann plötzlich, ich denke so etwas wie „Jetzt weiß ich, wo ich bin, da muss ich mitgehen“ und schiebe mit, und stoße einen einzelnen sehr schrillen, spitzen Schrei aus (bin sonst eher tiefe Brüllerin) und dann ist es endlich vorbei.

3:12 Uhr: Der Kopf ist geboren. Ich frage noch nach, ja, Kopf ist draußen. Jetzt ist gut! Ich bin wieder bei mir! Ich sage, dass ich unbedingt mal fühlen muss, hatte ich bisher nie geschafft bei den ersten 3 Geburten. Ich fühle hin: sooo weich! „Na klar“, sagt die Hebi. Ich sage, dass ich mein Baby selbst aus dem Wasser heben will, wenn es da ist.

3:14 Uhr: Ich merke, dass die Hebammen irgendwie nervös werden. Ich soll mal das Becken schaukeln, was ich eher halbherzig mache, finde es unnötig. Später erfahre ich, dass sie befürchtet hatten, dass das Baby eine Schulterdystokie haben könnte, weil zwischen Geburt des Kopfes und des Körpers so viel Zeit verging (4 Minuten). Ich war aber ganz ruhig und wusste, dass es dem Kind gutgeht und wir einfach einen Moment brauchten. Ich hatte keine Wehen.
Die Ammen fragen nach meinem großen Sohn, ich schicke die Zweithebamme ihn dazu holen.

3:16 Uhr: Eine zweite und letzte Presswehe, mit der ich mit einem erneuten hohen Schrei, der fast in ein Knurren übergeht, den Körper gebäre.
Ich sehe mein Baby unter mir im Wasser, die Zeit steht still und doch geht alles so schnell. Ich drehe mich halb um, sodass ich sie gleich nehmen und mich mit ihr anlehnen kann. Die Hebamme sagt „Jetzt nimm sie doch mal hoch“, was mich sehr ärgert, dass sie mir nicht meinen Moment lässt. Ich fische also das schmierige Kindlein aus dem Wasser und drücke sie an mich. Sie ist ganz ruhig und schaut mich einfach an und ich schaue sie an. Sie hat noch stellenweise ordentlich Käseschmiere, an anderen Stellen wiederum schon sich schälende Haut. Die Ammen legen warme Handtücher aufs Baby.

3:17 Uhr: Mein großer Sohn kommt herein, schaut kurz und sagt „Das hast du toll gemacht, Mama!“, dann ist ihm aber alles zuviel und er geht in sein Zimmer. (Später erzählt er mir, dass er sich wahnsinnig über die unbekannte Zweithebamme erschrocken hatte und dann mitten in der Nacht, da war er völlig drüber.) Mein Mann ist ganz gerührt und schaut andächtig über meine Schulter und kann es nicht fassen. „Das ist unsere Tochter“, sage ich immer wieder. Keine Blutung bei mir. Das Poolwasser ist noch nahezu sauber.

3:24 Uhr: Meine 6-Jährige steht in der Tür und fragt, ob sie reinkommen kann. Sie war genau in dem Moment wach geworden und gerade auf Toilette gewesen, als sie meinen Geburtsschrei gehört hatte! Also kommt sie an den Pool und bestaunt ihre kleine Schwester. Sie kommt aus dem Grinsen gar nicht mehr heraus, ich hab ein sehr süßes Foto davon, wie sie vor Aufregung sich die Hände vor den Mund hält. Sie ist aber auch sehr müde und ich sage ihr, dass sie bei uns im Bett weiterschlafen kann.

3:28 Uhr: Irgendwann zwischendurch habe ich die Nabelschnur getastet und zum ersten Mal gefühlt, wie sie pulsiert. Das fand ich total beeindruckend. Ich steige aus dem Pool, weiß gar nicht mehr, wer das angeregt hatte. Mir ist schwindelig und ich habe starke Schmerzen im Becken, ich kann mich nur schwer bewegen. Das Baby ist ganz rosig und sagt immer noch keinen Piep, schaut nur aufmerksam.
Danach war es nicht schön. Ich hatte sehr starke Nachwehen und Probleme, die Plazenta zu gebären. Das Baby fing an zu schreien, wollte nicht trinken. Ich habe ein paar Mal versucht, sie anzulegen und wollte dann abnabeln, weil mich die Nabelschnur gestört hat. Wir haben ca. 20 Minuten nach der Geburt abgenabelt und ich habe mich davon überzeugt, dass die Nabelschnur auspulsiert ist. Nach einigen vergeblichen Stillversuchen habe ich Kolostrum ausgestrichen und der Kleinen auf die Lippen gegeben. Ich habe immer wieder versucht, die bereits gelöste Plazenta zu gebären, aber war nicht in der Lage, mich in den Vierfüßler zu begeben. Ich habe sehr viel geweint und wollte einfach nur, dass alles endlich vorbei ist. Fast genau eine Stunde nach der Geburt kam die Plazenta dann endlich und erst danach hat die Kleine die Brust akzeptiert. Ich hatte weiterhin mit starken Nachwehen zu kämpfen. Konnte nicht ertragen, als die Hebammen nach Dammverletzungen schauen wollten und habe nur noch geweint. Mein Mann hat sie gebeten, den Raum zu verlassen, damit ich mich wieder sammeln konnte. Das hat mir gut getan. Später hat er mich gefragt, ob es für mich ok wäre, wenn nur meine Ersthebamme allein nachgucken würde, das war für mich einfacher. Ich habe irgendwann trotzdem abgebrochen, weil ich nicht mehr konnte. Hatte einen kleinen Scheidenriss und einen Dammriss 1. Grades, der ohnehin nicht versorgt werden musste und problemlos innerhalb von zwei Tagen verheilt ist. Blutverlust war minimal, wenn überhaupt, vielleicht maximal 250ml.
Gegen halb 6 hat die Hebamme die U1 bei unserer Tochter gemacht, das hat dem Baby gar nicht gepasst. Sie wurde dann noch zwei Mal nachgewogen, weil die Ammen dachten, die Waage würde spinnen. 4,9 kg hat unsere Jüngste mitgebracht, auf 55cm. Die Zweithebamme wollte dann Blutzuckerprofile der Ferse führen, das habe ich aber verweigert. Die Ammen haben darüber diskutiert, Zweithebamme meinte, das wäre nunmal Standardprotokoll bei makrosomen Kindern… Ich habe zu Bedenken gegeben, dass die Kleine topfit ist, gut trinkt, ich selbst darauf achten kann, sie häufig anzulegen. Außerdem fand ich sie jetzt nicht unproportional, ihr Papa ist fast 2 Meter groß und hatte als Baby auch 5kg. Wir sind dann gegen 6 Uhr ins Schlafzimmer umgezogen und hatten endlich unsere Ruhe als Familie.
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Biiibi
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Re: Wassergeburt im Wohnzimmer

Beitragvon Biiibi » Do 2. Mär 2023, 17:50

Toll geschrieben!
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MaryP
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Re: Wassergeburt im Wohnzimmer

Beitragvon MaryP » Fr 3. Mär 2023, 21:50

Danke für deinen Bericht! Ich liebe es, Berichte Anderer zu lesen.
Beim Jüngsten fühlte ich mich von der Hebamme auch gedrängelt, weil ich ihr das Baby nicht schnell genug hochgenommen habe.
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Josie2013
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Re: Wassergeburt im Wohnzimmer

Beitragvon Josie2013 » Sa 4. Mär 2023, 19:23

Was ich noch vergessen habe zu schreiben, dass während der Austreibungsphase die Hebamme wohl Dammschutz betrieben hat und ich immer das Gefühl hatte, sie würde mir den Po auseinander reißen und so unglaublich wütend darüber war. Natürlich war das aber der Kopf des Babys, was so ein reißendes Gefühl am Po gemacht hat :lol3:

Es gab ein paar Momente, in denen mich vor allem die Zweithebamme gestört hat. Aber ich kann im Nachhinein auch verstehen, warum sie so agiert haben, zb wegen der gefürchteten Schulterdystokie. Davon abgesehen fand ich die Betreuung durch meine Ersthebamme sehr gut. Sie hat sich vollkommen zurück gehalten und war so diskret und ruhig, dass ich mich vollkommen auf mich konzentrieren konnte.

Diese panische schmerzvolle Phase kurz vor der eigentlichen Geburt war für mich sehr schlimm und ich habe daran noch lange zu knabbern gehabt. Andererseits war es auch eine ganz besondere Erfahrung, wie mein Mann es letztendlich war, der mir Halt geben konnte und das hat uns beide sehr berührt und verbunden.
Davon abgesehen war das eine wunderschöne Geburt, in der ich wirklich vollkommen selbstbestimmt war und ganz nach meinem Gefühl und meiner Erfahrung von den anderen Geburten gehandelt habe. Ich habe mich zum ersten Mal wirklich als "Meisterin der Geburt" gefühlt. Ich brauchte keine Anleitung, sondern konnte immer meiner Intuition folgen, das war eine Erfahrung, für die ich immer dankbar sein werde!

Übrigens waren die Hebammen sehr beeindruckt und meinten, dass ich das Baby gerade zum Schluss wirklich optimal unterstützt habe, bei den Proportionen hätte ich sonst viel stärkere Geburtsverletzungen davon tragen müssen. Es war auch tatsächlich das erste Mal, dass auch die Geburt des Körpers noch schmerzhaft und anstrengend war. Die anderen Kinder sind dem Kopf so "hinterher geflutscht", das war hier definitiv anders.
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babsi2011
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Re: Wassergeburt im Wohnzimmer

Beitragvon babsi2011 » Do 30. Mär 2023, 13:23

Vielen Dank für diesen tollen Bericht :)
So schön geschrieben!
Diese krasse Angst kenne ich so nicht, Wahnsinn was eine Geburt auslöst.
Und keine Geburt ist wie die andere.
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