"In DER winzigen Wanne!?"

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Amhran

"In DER winzigen Wanne!?"

Beitragvon Amhran » Di 5. Jun 2012, 14:48

Ich habe diesen Bericht von der Geburt meiner großen Tochter (2008) schonmal woanders gepostet, aber da ich selber auch immer wieder gerne Geburtsberichte lese, füge ich ihn einfach auch dieser Sammlung hinzu.

Anstrengend waren sie schon sehr, die letzten Schwangerschaftswochen. Wassereinlagerungen waren mir zwar diesmal erspart geblieben, dafuer hatte ich extreme Ischias- und Symphysenschmerzen. So gern ich auch schwanger bin, diesmal war ich schon lange vor dem errechneten Geburtstermin ungeduldig und zunehmend unleidlich.

In der Woche zuvor hatten zweimal wunderschoene Wehen in Fuenf-Minuten-Takt eingesetzt, die jedoch nach jeweils zwei, drei Stunden verebbt sind. Frustrierend, sowas. Der ET am 4. 4. verging ohne eine einzige Wehe, aber am naechsten Tag war ich viel entspannter. Ich beschloss, das Warten bleiben zu lassen und normal weiterzumachen. Ok, der Termin war vergangen, so what. Es wuerde schon irgendwann losgehen innerhalb der naechsten zwei Wochen.

Samstag Mittag ging ich mit meinem Mann und meinem Zweijaehrigen noch in den Wald Baerlauch pfluecken, gegen 17.00 begann das schon gewohnte Spiel mit den leichten Wehen. Diesmal rief ich aber meine Hebamme an und sagte ihr, dass ich nun schon zum dritten Mal Wehenbeginn haette. Ich hielt es nicht ernsthaft fuer Geburtswehen, aber ich bat sie, diesmal doch bei mir vorbeizukommen um mich einmal zu untersuchen und zu schauen, ob der Muttermund schon geoeffnet ist. Eigentlich wohnt sie nur zwei Ortschaften entfernt, aber sie war gerade bei einem Familienessen in Wien. Trotzdem meinte sie, sie wuerde sofort losfahren und waere in einer Stunde da.

Ich hatte schon ein schlechtes Gewissen, sie von dort wegzuholen, weil ich ueberzeugt war, dass es wieder falscher Alarm ist, aber als sie gegen 20.00 ankam, waren die Wehen noch immer da. Ein ganz leichtes Ziehen in regelmaessigen Abstaenden, nicht schmerzhaft, aber auch nicht ganz zu ignorieren.

Zur Untersuchung legte ich mich aufs Bett und die Hebamme meinte: “Der Muttermund ist schon schoen weich...”, und ich dachte, na super, aber immerhin besser als gar nichts...“...und 6 cm offen.”. So daemlich hab ich wohl noch selten dreingeschaut. Hurra! Die Geburt geht endlich los!

Ich rief meine Schwester an, damit sie vorbeikommt um wie ausgemacht unseren Sohn zu betreuen. Gegen 22.00 war sie dann da und spielte mit ihm, ich konnte mich also ganz auf die Wehenarbeit konzentrieren.

Die Wehen kamen weiterhin ungefaehr alle fuenf Minuten, und ich war heilfroh ueber jede einzelne. Obwohl dasselbe Gefuehl unter anderen Umstaenden vielleicht schmerzhaft gewesen waere, empfand es doch als irrsinnig schoen und sogar angenehm, und ich konnte mich voll darauf einlassen. Jedesmal, wenn eine Wehe kam, atmete ich laut und tief durch und stellte mir vor, wie ich mich immer weiter oeffnete. Ich ging die ganze Zeit ueber im ganzen Haus umher, blieb kurz bei den anderen im Wohnzimmer, dann ging ich wieder mit meinem Mann den Gang auf und ab. Etwas spaeter zog mich dann fuer eine Weile im abgedunkelten Wintergarten allein zurueck und genoss jede Wehe, so seltsam das auch klingen mag. Nein, ich bin nicht masochistisch, es tat mir einfach nicht weh.

Gegen 23.00 liess mein Mann mir ein Bad ein und ich blieb eine halbe Stunde drin, allerdings machte ich mir Sorgen, da ich spuerte, wie die Wehen nachliessen. Ausserdem merkte ich, dass ich langsam muede wurde. Ich beschloss deshalb, mich nochmal hinzulegen und ein bisschen zu schlafen. Mein Sohn war auch schon muede, ich kuschelte mich also mit ihm ins Bett und stillte ihn zum Einschlafen. Dabei schlief ich dann selber ein.

Gegen 00.30 wachte ich wieder auf und fuehlte mich viel fitter, allerdings waren die Wehen kaum der Rede wert. Bei der ersten Geburt hatte sich die Fruchtblase als ziemlich festes Ding herausgestellt, deshalb beriet ich mich nach einiger Zeit mit der Hebamme, ob wir versuchen sollten, sie aufzumachen, damit was weitergeht, immerhin war ich mittlerweile bei 8 cm. Wenn sie es auch nicht schaffte, die Blase ganz zu sprengen, so gelang es ihr immerhin, einen kleinen Kratzer zu machen. Das war so gegen 2.00. Das Fruchtwasser ging daraufhin allmaehlich ab und im weiteren Verlauf wurden einerseits meine Socken nass, andererseits kamen die Wehen wieder super in Gang. Langsam spuerte ich, wie sie staerker wurden, bis sie schliesslich meine ganze Konzentration in Anspruch nahmen. Irgendwann konnte ich dabei nicht mehr stehen und ich ging in den Vierfuesslerstand, den Oberkoerper auf einem Pezziball.

Die Wehen wurden immer laenger und mein Atmen immer lauter, ich wusste, dass es nicht mehr ewig dauern wuerde. Angenehm waren sie mittlerweile auch nicht mehr, und obwohl ich mich weiterhin voll auf die Kontraktionen einliess und entspannte, wurde es nun doch etwas schmerzhaft. Ploetzlich hatte ich das starke Beduerfnis, in die Wanne zu gehen, und die Hebamme meinte “Ok, dann machen wir eben eine Wassergeburt.”. Erst als sie es ausgesprochen hatte, wurde mir bewusst, dass ich mein Baby im Wasser bekommen wuerde. Nie im Leben haette ich zuvor gedacht, in unserer winzigen Wanne zu gebaeren, allein schon aus Platzgruenden, aber in dem Moment wollte ich einfach nur noch ins warme Wasser, um dort weiterzuwerken.

Ich stieg also bei Kerzenschein hinein in die Wanne und hatte noch etwa vier heftige Wehen, als mich auch schon der Pressdrang ueberkam. Bei der ersten Geburt hatte ich zwei Stunden Presswehen ohne starken Pressdrang gehabt, das heisst ich fuehlte von meinem Koerper wohl eine Art Aufforderung zum Pressen, die Arbeit musste ich aber bewusst und ganz alleine machen und dabei mit meinen Kraftreserven auskommen.

Aufgrund dieser vorangegangenen Erfahrung rechnete ich diesmal mit etwa einer Stunde, aber es kam ganz anders. Diesmal war das Gefuehl absolut ueberwaeltigend, und ich konnte gar nicht anders, als sofort aus voller Kraft mitzupressen. Es war so, als wuerde mir von irgendwoher eine unglaubliche Menge an Energie zur Verfuegung gestellt, es droehnte richtig in meinen Ohren und ich war in dem Moment wie weggetreten. Ich wurde wie von einer riesigen Welle mitgerissen und mein ganzer Koerper wollte nur noch Pressen. Ein Wahnsinnsgefuehl.

Nach der ersten Wehe konnte ich das Koepfchen tasten, aber es war noch relativ weit oben. Ok, wird wohl noch ein Weilchen dauern, dachte ich mir, als ploetzlich die naechste ueberwaeltigende Wehe kam, ich wieder pressen musste und zu meiner Ueberraschung spuerte, wie der ganze Kopf geboren wurde. Ich war total euphorisch und konnte es kaum glauben. Nur ein paar Sekunden Pause bis zur dritten Presswehe. Ich bruellte wie ein Stier und legte meine ganze Kraft in diese Wehe, um den Rest des Babys herauszupressen, ich spuerte einen leichten Widerstand als die Schulter durchtrat und ploetzlich war es auch schon da, das ganze Kind. 3.30. Die Hebamme fischte es aus dem Wasser und legte es auf meine Brust, das wundervolle, warme, glitschige Wesen. Es sah mich an, machte zweimal kurz “waeh!”, machte die Augen zu und kuschelte sich an mich. Nach ein paar Minuten fiel mir ein, nach dem Geschlecht zu schauen.

Eine Tochter! Mein Sohn hatte recht behalten. Das Baby hatte sich beim Ultraschall naemlich saemtlichen Identifizierungsversuchen erfolgreich widersetzt, und mehrere Leute hatten mir unabhaengig voneinander einen weiteren Buben prophezeit. Mein Sohn war der einzige, der jedesmal sagte, es waere ein Maedchen.

Die Hebamme klemmte die Nabelschnur ab, mein Mann, den zu diesem Ereignis aufgeweckten Sohn auf dem Schoss, schnitt sie durch. Nach etwa zehn Minuten kam auch schon die Plazenta. Ich stieg aus der Wanne und wir uebersiedelten ins Schlafzimmer. Saemtliche Dammschutzregeln waren waehrend der Presswehen vergessen, und ich war ganz leicht gerissen. Die Hebamme schlug vor, mich mit ein, zwei Stichen zu naehen, aber es war nur ein oberflaechlicher Schleimhautriss, der auch so verheilen wuerde, deshalb wollte ich nicht (war auch im Nachhinein betrachtet eine gute Entscheidung).

Mein Sohn war bei der Geburt ein Lackel von 4450 g gewesen, in der Schwangerschaft hab ich deshalb immer bloede Witze gerissen und gesagt, ich waere diesmal dankbar fuer ein zartes 4 Kilo Maedchen, und genau das bekam ich dann auch. 3920 g bei einer Laenge von 52 cm und einem Kopfumfang von 36 cm. Mit dunklen Wuschelhaaren und natuerlich das schoenste Baby der ganzen Welt. Zu Hause auf die Welt gekommen. Niemals von mir weggenommen, nie von unsanften Haenden beruehrt.

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parapluies
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Re: "In DER winzigen Wanne!?"

Beitragvon parapluies » Di 5. Jun 2012, 14:54

:herzen: :danke:

2girlmum0810
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Re: "In DER winzigen Wanne!?"

Beitragvon 2girlmum0810 » Di 5. Jun 2012, 15:00

sehr schöner bericht! :flagge:

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Axomonster
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Re: "In DER winzigen Wanne!?"

Beitragvon Axomonster » Di 5. Jun 2012, 15:04

Oh wie schön :herzen:
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Ardilla
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Re: "In DER winzigen Wanne!?"

Beitragvon Ardilla » Di 5. Jun 2012, 15:58

:danke: fürs Teilen!!!! Ein sehr schöner Bericht :herzen:
Julitochter * 2001 (ambulante Beleggeburt)
Februarkerlchen * 2005 (Hausgeburt mit KS beendet)
Julimädchen * 2011 (Hausgeburt)

ehemaliges Mitglied 2

Re: "In DER winzigen Wanne!?"

Beitragvon ehemaliges Mitglied 2 » Mi 13. Jun 2012, 17:21

sehr schön! :princess: :flagge:

Amhran

Re: "In DER winzigen Wanne!?"

Beitragvon Amhran » Fr 22. Jun 2012, 20:06

Danke für die lieben Rückmeldungen!

Beim letzten Hausbesuch hat mir meine Hebamme übrigens erzählt, daß sie Frauen immer von unserer Winzwanne erzählt, wenn sie besorgt gefragt wird, ob deren normale Wanne auch groß genug für eine Wassergeburt ist :D . Unsere ist aber wirklich klein, man kann die Beine darin nur ausstrecken, wenn man aufrecht darin sitzt, und um den Hintern herum wird sie aus unerfindlichen Gründen plötzlich schmal.


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