Was lange währt wird gut - Adele

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die eule
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Was lange währt wird gut - Adele

Beitragvon die eule » Di 27. Mär 2018, 23:54

Fast fünf Monate ist die Geburt nun her. Zeit, endlich den Bericht zu schreiben. :3affen: Diese dritte Geburt war meine schönste und entspannteste von allen. Meine Hebamme hat mich hundert Prozent in meinen Wünschen unterstützt und zur Geburt beobachtend ein Stück entfernt gesessen. Bis auf wenige Male Herztöne kontrollieren war sie äußerst zurückhaltend. Ursprünglich wollten wir sie nur zur Plazentageburt rufen, aber ich hatte dieses Mal eine Latenzphase und unerwartet laaange Pressphase, so dass sie der Geburt beiwohnte. Alles war gut so wie es war. :flagge:

Die Geburt der kleinen Schwester

Ich wollte nie ein Kind im November kriegen. Nie. So ein hässlicher kalter grauer Monat, brrr. Ein Septemberkind, DAS wäre toll! Mein Lieblingsmonat. Immerhin ist es Ende Oktober geworden. Alles besser als November. Da ich im Beschäftigungsverbot war, hatte ich eine sehr entspannte Restschwangerschaft. Alles war fertig und vorbereitet. Das hatte ich bei den anderen beiden nicht. Dann kann es ja losgehen! Es ging aber nicht los. Das magische Datum (25.10.2017) verstrich und die Anfragen der Neugierigen stieg proportional zur Terminüberschreitung. Da die Großen auch alle später kamen erwartete ich keine baldige Geburt. Dann wurde es doch November, die letzten Babywetten liefen auf den zweiten des Monats. Die Tage zogen sich wie Kaugummi und ich nahm weiterhin alle Termine und Aufgaben wahr, die so im Alltag anfielen. Durch meinen kleinen zarten Bauch hielten sich die Spekulationen fremder Leute, denen Schwangere leider häufig ausgesetzt sind, in Grenzen.

Montag, 6.11.2017, ET+12

Gestern war meine Hebamme da. Alles in Ordnung und alles ruhig, es tut sich nix außer ein bissl Schleim. Aber der geht seit vierzehn Tagen permanent ab. Zimttee? Heiße Wanne? Treppensteigen? Jeden verdammten Tag. Es tut sich nichts. Sex? Will der Mann nicht. Und ehrlich gesagt wäre das in meinem bewegungsarmen Stadium so ziemlich das Letzte worauf ich Bock hätte. Warten. Abends gab es das übliche Gezeter der Kinder beim ins Bett bringen und ich musste kurz Laut werden. Da lief etwas aus mir heraus. Eine gewisse Inkontinenz begleitete mich ja in den letzten Schwangerschaftswochen. Oder sollte es etwa doch Fruchtwasser…? Ach nein… Oder doch? Zumindest roch es nicht nach Pipi. Vorfreudigst lief ich mit einer gewissen Eleganz zum Klo. Es kam noch ein bisschen was und dann war Schluss. Zum 1.234.862 Mal in dieser Schwangerschaft ging ich in die Badewanne. Duftlämpchen an, was Nettes zu trinken dazu, Musik. Gemütlich machen. Warten. Zwei Stunden im Wasser ließen meine Haut schrumpelig aussehen wie ein Faltengebirge. Gegen 22 Uhr fingen die ersten leichten Wehen an. Na endlich! Ich war glücklich und traurig zugleich. Das war es dann wohl mit meiner letzten Schwangerschaft. Vorsorglich legte ich mich schlafen. Immer wieder vereinzelte recht schmerzlose Wehen. Ob es wieder so schnell geht wie bei meinem Sohn? Hoffentlich nicht…

Dienstag, 7.11.2017, ET+13

Die Nacht war ruhig, das rhythmische Schnarchen meines Mannes hat mich immer wieder in den Schlaf gelullt. Nachwievor lange Wehenabstände. Mein Körper meint es dieses Mal gut mit mir. Früh gegen fünf war das Stillliegen ein Graus, ich musste mich bewegen und das Becken schwingen. Natürlich im Bett, denn wer steht zu so einer Uhrzeit schon auf wenn das unbarmherzige Weckerklingeln des Schulkindes in einer Stunde droht? Ich bestimmt nicht. Irgendwann weckte ich E. auf. Die Wehenabstände waren jetzt deutlich kürzer und knackiger. Gute Miene zu bösem Spiel, dass die Große ja nichts von der nahenden Geburt spitzkriegt. Schon wieder eine Wehe? Meine Güte. Ich brachte noch eine Wimpelkette über dem Wickeltisch an. Ja, das musste jetzt sein. Mit einem Küsschen schob ich E. kurz vor sieben zur Tür raus und verbiss mir eine weitere Wehe. Oha, jetzt wird es Ernst! Der Mann kümmerte sich um R. und ich hatte Zeit mich auf die Geburt zu konzentrieren. Ich ließ mich ins Tragetuch im Flur fallen, kroch auf allen Vieren durch die Wohnung und tönte. Ich zog diverse Einwegunterlagen und Handtücher hinter mir her ins Bad. Schon wieder eine Wehe. Und noch eine. Von fünf-Minuten Abständen auf eine Minute verging kaum mehr als eine Viertelstunde. Ohgottohgott. „Soll ich die Hebamme jetzt rufen oder nicht?“ rief mir mein Mann zu. Keine Ahnung, weiß ich nicht, mir doch egal. Die Option ganz alleine zu bleiben ließ ich mir offen. Wieder eine schmerzhafte lange Wehe. A. rief sie an. „Die soll kommen!“ grunzte ich während einer Wehe laut aus dem Bad. Ich war mir sicher: Das schafft die nie im Leben bei meinem Tempo. Klo. Ich brauchte ein Klo und Wärme. Heizung aufdrehen und anlehnen. Angenehm. Stirn auf den Hocker vor mir abstützen und fühlen wo der Muttermund ist. Immer wieder kam Fruchtwasser. Durst. Trinken. Pause. Mein Sprachschatz verkümmerte sich auf Einwortsätze.

Hebamme A. kam nach einer erstaunlich kurzen Zeit zur Tür hereingestürzt in fester Erwartung eine glückliche Mutter mit Neugeborenem zu beglückwünschen. Ganz zerzaust sah sie aus, die Arme! Ich hatte gerade eine lange Verschnaufpause. Die Ruhe vor dem Sturm sozusagen. Sie setzte sich in die Ecke und beobachtete still. Im Hintergrund hörte ich R.s Trickfilmserie. Wir haben es nicht geschafft ihn in den Kindergarten zu bringen. Irgendwann fingen die Presswehen an und ich schob mit. Meine Stirn klebte am Hocker und meine Hände an und in mir. A. sollte Handtücher im Ofen wärmen. Ein Zeitgefühl hatte ich nun nicht mehr, ich nahm jede Welle an und machte das Beste daraus. Das hieß in meinem Fall: kräftig schieben, brüllen und den Muttermund mit dem Finger runterschieben (der hing noch viel zu weit oben und blockierte den Ausgang). R. kommt immer mal gucken. Es klopft an der Wohnungstür. „Alles in Ordnung?!“ Oh Gott der Nattermüller. Unser Nachbar. Das Bad ist tatsächlich sehr hellhörig. „Ehemann, geh und beruhige ihn“ presste ich gequält hervor. Aber da war er schon wieder in seiner Wohnung verschwunden. Die nächste Wehe. Warum dauerte es so lange? Ich presste schon eine ganze Weile. Zwischendurch warme Kompressen und Hände waschen. Jetzt brannte es am Damm. Es brennt es brennt es brennt. Es ist fast unerträglich. Unaufhaltsam rollt die nächste Wehe heran. Schieben ohne Pause. „Langsam langsam, bah bah bah…“ rät mir die Hebamme. Langsam und sanft ist jetzt unmöglich. In einer einzigen mächtigen Wehe gebäre ich den Kopf in meine Hand. Es schreit schon! Die knochigen Schultern folgen mit dem nächsten Schub und ich lasse es aufs Handtuch am Boden gleiten. Ein Babymädchen ist geboren! Sie schreit und zittert. Ich nehme dieses winzige Vögelchen in meine Arme. Ein unbeschreiblicher Duft. Bald will sie an der Brust saugen.

Mir wird kalt. Ich zittere am ganzen Körper und meine liebe Amme lässt mir ein Bad ein. Das noch namenlose kleine Mädchen entfaltet sich im warmen Wasser und guckt mich ruhig an. Wieder so ein süßes Neugeborenes. R. begrüßt seine kleine Schwester und freut sich. Die Plazenta kommt eine Weile später im Wasser. Wir haben beschlossen nicht abzunabeln. Im Bett machen wir es uns gemütlich und schauen uns das neueste Kindchen an. Welcher Name soll es nun sein? Behutsam wird sie gewogen und vermessen, dann kuscheln wir nackt im Bett. Adele. Geboren um 8.42 Uhr bei strahlendem Herbstsonnenschein im hässlichen nassgrauen November im viel zu kleinen und altmodischen Badezimmer. Alles hat sein Gutes.
Zuletzt geändert von die eule am Mi 28. Mär 2018, 09:37, insgesamt 1-mal geändert.
*7/2010* die Große, HG
*6/2014* der Wilde, AG
*11/2017* die Verrückte, HG

Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute; seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben.
- George Bernard Shaw -

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Rebecca
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Re: Was lange währt wird gut - Adele

Beitragvon Rebecca » Mi 28. Mär 2018, 08:19

:herzen: :rosabrille:
Hase 5/15 - HG im Pool
Spatz 7/16 - HG/AG im Pool
Spätzchen 8/20 - HG im Pool
Mini-Spatz 4/23 - HG im Pool

Lillifee3
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Re: Was lange währt wird gut - Adele

Beitragvon Lillifee3 » Mi 28. Mär 2018, 08:56

:love: :heul: :hearts:
Toll gemacht!
KH-Blitzgeburt November 1998
Hausgeburt Dezember 2002
Hausgeburt Juli 2007
Alleingeburt Juni 2010
Geburtshausgeburt Oktober 2013
Sekundäre Sectio März 2016
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viel zu viele Sternchen... :candle:
und neuer Ehemann und ein Baby im Bauch :schwanger:

chrisma
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Re: Was lange währt wird gut - Adele

Beitragvon chrisma » Mi 28. Mär 2018, 11:35

:hearts: wundervoll :princess:
Ich will auch schon so lange den Bericht von meiner 3.Geburt hier rein schreiben, aber wann??
Mädchen HG 2008
Mädchen HG 2015
Junge HG 2017

Naturmaedel
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Re: Was lange währt wird gut - Adele

Beitragvon Naturmaedel » Mi 28. Mär 2018, 11:58

Danke für deinen Bericht, liebe S.!! :princess: :flagge:
Toll habt ihr das gemacht. :herzen:

Ich freue mich ja immer noch, dass unsere Töchter jetzt am gleichen Tag Geburtstag feiern und wir einen unserer Gebärtage :) . Da werde ich immer daran denken!

LG
Annika schöne KH Wassergeburt 11/2009
Ida wundervolle HG 11/2011
Zwillingsbuam respektvolle KH-Geburt 01/2014
Schneeflocke überwältigend schöne Alleingeburt 01/ 2017


Sollen wir Kinder ziehen, müssen wir auch Kinder mit ihnen werden. (Martin Luther)

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HerbstMama
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Re: Was lange währt wird gut - Adele

Beitragvon HerbstMama » Do 29. Mär 2018, 05:30

:rainbow: Ein toller Bericht. Du schreibst herrlich :daumen:
Oktobermädchen 2015 Hausgeburt
Apriljunge 2018 Hausgeburt

Frl_Lotta

Re: Was lange währt wird gut - Adele

Beitragvon Frl_Lotta » Sa 31. Mär 2018, 12:47

Schön geschrieben :love:

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SaTe
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Re: Was lange währt wird gut - Adele

Beitragvon SaTe » Sa 31. Mär 2018, 13:09

:rainbow: Danke für diesen schönen Bericht. Hört sich nach einer wundervollen und stimmigen Geburt an.
Grüße von SaTe

Theodor 06/11 ungeplante HG
Josephine 08/14 geplante HG
Friedrich 03/17 ungeplante AG

Athene
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Re: Was lange währt wird gut - Adele

Beitragvon Athene » Mo 9. Apr 2018, 11:47

Einfach wunderschön :herzen:
Lausbub *2012 spontan im KH
Räubermädchen *2014 HG
drittes Wunder *ET 10/18 AG geplant

Adriane

Re: Was lange währt wird gut - Adele

Beitragvon Adriane » Do 12. Apr 2018, 21:23

*Gänsehaut!
Einfach wunderschön liest sich diese Geburt!
Liebe S., Du hast es mal wieder ganz großartig gemacht!


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