Bisher fehlten mir die Worte, diese Geburt zu beschreiben und ich weiß auch nicht, ob es mir heute gelingt... Es war, als wäre man vom Zug überfahren worden. Bevor ich begriffen hatte, dass das jetzt die Geburt ist, war sie schon vorbei. Meine wochenlangen Vorbereitungen, meine Wohlfühlwunschliste, meine Bewältigungs-und Durchhaltestrategien, meine Vorstellung von einer gemütlichen stimmungsvollen Hausgeburt- keine Zeit, kein Bedarf. Es ging so schnell, wir hatten nichtmal Musik an. Ob das jetzt besser oder schlechter war, als meine Vorstellung, dass kann ich selber nicht sagen
Meine kleine Helene, so erwünscht und willkommen. Und wollte einfach nicht raus. Eigentlich hätte ich ich freuen müssen, denn gerade um den ET wurde de große Schwester krank, fieberte und brauchte mich. Da wäre für eine Geburt gar kein Raum gewesen.
Ich wusste das aber nicht zu schätzen und wurde immer verzweifelter. Warum, wusste ich selber nicht, denn objektiv ging es mir ja nicht schlecht.
Wie es einem in den letzten Zügen der Schwangerschaft nun einmal geht. Aber da waren auch Zweifel, ob ich eine natürliche Geburt ohne Schmerzmittel auch schaffe. Außerdem die Angst, so lange zu übertragen, dass meine Hebamme mich zuhause nicht mehr begleitet.
Püppi fieberte eine Woche lang. Dann die erste fieberfreie Nacht, der erste fieberfreie Tag und in der folgenden Nacht platzte etwa 0.30 Uhr meine Fruchtblase.
Was hab ich mich gefreut! FW klar, Baby strampelte munter, alles ok. Ich sagte meinem Mann,der noch vorm Fernseher saß, bescheid, dass heute unser Baby kommt.
Er räumte gleich auf und schaltete die Glotze aus, denn er wollte noch so viel wie möglich Schlaf tanken eh es richtig losging.
Ganz leichte "Wehen" konnte man mit viel Fantasie schon erahnen aber ich konnte noch ganz gut schlafen.
Was mich genervt hat, war der krasse Harndrang, der mich mindestens stündlich aus dem Bett drängelte. Wehen wurden ganz sachte etwas stärker, ich nahm nach jedem Klogang etwa 3 bewusst wahr und schlief dann wieder drüber ein.
Es war ungefähr um 5, als ich nicht zurück ins Bettchen kroch, sondern mich aufs Frühstücksfernsehen freute. Die Wehen hätten mich eh nicht mehr schlafen lassen und ich wollte noch ein letztes mal alleine sein, meine Gedanken ordnen und mich mit nem Malzkaffee in der Hand von gutgelaunten Moderatoren berieseln lassen.
Um 8 war mir dann echt langweilig, ich beschloss, jetzt mal meine Hebamme einzuweihen und sie zu bitten, im Laufe de Vormittags mal nach mir zu schauen. Ich sagte noch, sie solle sich Zeit lassen, weil hier eigentlich noch nicht viel los ist bis auf ein gemütliches Ziehen im 4-Minuten-Abstand.
Sie wollte etwa um 9 mal vorbeischauen.
Obwohl ich eigentlich noch normal atmen konnte, probierte ich mal das Tönen aus. Kannte ich von der ersten Geburt ja nicht und so lange ich allein war, konnte ich es ja mal probieren. Das tat sehr gut und so machte ich weiter, immer sanft auf Uh zu tönen. Ich dachte, das wäre für Püppi später am wenigsten beängstigend, wenn wir ihr dabei vom Onkel Uhu erzählen und wie schön Mama den nachmachen kann. Trotz Pelzy-Binden hatte ich schon alle meine Jogginghosen befruchtwassert und trug somit nur noch mein Geurtshemdchen. Mir war zwar noch nicht nach Geburt aber was anderes hatte ich nicht greifbar.
Ich weckte dann meinen Mann zum Frühstück, der brachte Püppi gleich mit runter. Irgendwie konnte ich mich zum Frühstück aber nicht mehr setzen, so fand ich die Wehen unerträglich. Also lief ich durchs Zimmer und wurde immer schneller. Je schneller ich ging, desto schöner waren die Wehen. Kräftig aber gar nicht schmerzhaft. Schlimm war noch immer der Harndrang. Immer wenn ich mich auf die Toilette setzte, erschrak ich, wie schmerzhaft dann die Wehen wurden. Genauso kannte ich sie von der ersten Geburt. Weiter rennen!
Das ist für mich der gefühlte Geburtsbeginn, weil ich da merkte, dass hier wirklich was passiert. Es war 9 Uhr und ich freute mich schon, dass jeden Moment die Hebamme klingeln würde. Vielleicht hat sich ja sogar schon was am MM getan. Ich ging immer mal ins Bad, schloss die Tür und tönte richtig laut und tief. Toll fühlte sich das an.
Endlich klingelte R. und fragte, ob wir ein CTG schreiben können. ich meinte klar, aber nur, wenn sie mir mit dem Ding hinterherläuft, weil ich mich garantiert nicht setze. Sie lachte und wir ließen es sein.
Aber der MM interessierte mich brennend und ich bat sie, mal kurz zwischen zwei Wehen zu schauen. Ohne große Erwartungen kam sie meiner Bitte nach und bekam große Augen. 5-6cm!!! und das so leicht! Sie meinte zu meinem Mann: bau mal GANZ SCHNELL den Pool auf!
Ich hatte eine Geburt am TAG nie auf dem Schirm gehabt. Mit der Großen, ohne meine so wichtige Weihnachtsbeleuchtung und Schummerlicht... Nagut, vielleicht kommt Leni am Nachmittag, wenns wenigstens bissl düster draußen wird. Solche Gedanken...
Dann wurde es für die Große ungemütlich. Ich konnte weiterhin nur laufend mit den Wehen gut klarkommen und ständig rannte sie mir vor die Füße, brachte mich raus, fasste dauernd an den Wasserschlauch.
Fass das nicht an, nein, lass mich vorbei, geh da weg... nee, so sollte das für sie nicht sein. Es tat mir zwar irgendwie leid, aber wir riefen dann die Oma an, die sie zehn Minuten später abholte.
Die Wehen kamen jetzt öfter und stärker, waren schwer auszuhalten und ich war sehr laut und immernoch sehr schnell unterwegs.
Ich sagte, ich bräuchte mal ne Pause von dem Gerenne. R. schlug vor, mich mal hinzulegen. Ich hatte zwar Angst vor dem Schmerz, der mich im Liegen treffen würde aber die Aussicht auf eine etwas längere Wehenpause lies mich den Spaß mal mitmachen...
R. schaute nochmal nach dem MM und die nächste Wehe kam mit aller Wucht. Ich meinte och nö, ich wollte doch ne PAUUUUUSEEEE!
R.: Du bekommst keine Pause, du bekommst JETZT das Kind!
Ich: nicht hier. Im Pool.
R.: nein, da ist zu wenig Wasser drin.
Ich.: nein nicht hier, ich will ins Wasser.
R.: nagut, aber dann musst du dich auf den Rücken legen, nicht hocken, das geht dann auch zu schnell sonst.
Rückenlage-bäh, aber wenigstens Wasser. Ich hatte mir das so gewünscht und wenigstens diese eine Sache sollte so laufen, wie ich es wollte. Ich wollte das unbedingt erleben. Mein Mann saß die ganze Zeit hinter mir und hielt mich, denn ich war für die Handgriffe des Pools zu klein, konnte die gar nicht erreichen. Aber mein Guter ist ja stark wie ein Bär!
Im Wasser bekam ich direkt Presswehen. Ich wunderte mich noch, dass ich die gefürchtete Übergangsphase schon hinter mir hatte, plötzlich war die zweite Hebamme auch da und R. veratmete einige Wehen mit mir, ermahnte mich immer wieder zur Ruhe.
Ich war sehr unkonzentriert, ohne R.s Anleitung zum Kerzen auspusten hätte ich nicht gewusst, wohin mit mir. Ich hatte große Angst zu reißen. Was, wenn ich hinterher doch ins KH muss zum Nähen? Dass es meiner Kleinen gut ging, wusste ich, das durfte einfach nicht anders sein.
Also noch ne Runde pusten. Das fand ich nun echt schmerzhaft.
Ich musste nun einfach mitschieben, das war eine Wohltat! Ganz sachte wurde das Köpfchen mit vielen Wehen geboren, ich sollte mir Zeit lassen, immer mal wieder veratmen, dann wieder sachte schieben, wieder Pause usw. Und irgendwann war er da.
Ich streichelte die langen Haare und redete mit meiner kleinen, wie toll sie mitmacht und das wir gleich schmusen und zusammen ausruhen können.
Dann war lange Ruhe. Sehr lange. Die Schultern steckten fest und die Hebammen hoben zwei mal meine Beine sehr hoch an und ließen mich wieder runter. Dann kam endlich der Körper mit der nächsten Wehe geflutscht!
Ich konnte es nicht glauben, da lag mein Baby auf meinem Bauch! Es war 10.47 Uhr. Keine zwei Stunden, nachdem ich zu schnaufen begann, 17 Minuten nachdem mir die Hebamme sagte, dass ich nun keine Pause mehr brauchen würde und ich ihr nicht glauben wollte, dass ich am Ende der Geburt bin...
Die Hebammen kreischten, rannten im Kreis und fielen sich dann in die Arme, hatten Freudentränen im Gesicht.
Ich sah in die riesigen Knopfaugen meiner kleinen Tochter und war verliebt. Ich schwöre, ich wusste vorher genau, dass sie SO aussehen würde! Sie war genau so, wie ich sie mir immer vorgestellt hatte. Die Kopfform, die Hautfarbe etwas dunkler als ihre Schwester, die Haare braun und nicht blond, wie Püppi, die Augen dunkelblau bis braun... Ich habe sie sofort WIEDERerkannt. Meine wunderschöne Helene!
Ein sooo schöner Moment.
Doch plötzlich kam Unruhe auf. Ich blutete sehr stark und sollte lieber aus dem Wasser kommen. Die Nabelschnur war noch nicht ganz auspulsiert, aber die Hebammen waren in Sorge und so sollte mein Mann schnell abnabeln. Schön, dass trotz der Hektik er das machen durfte und nicht die Hebamme.
Ich hatte eine starke Ablösungsblutung, die wir auch mit dem ersten Anlegen und Kühlen nicht in den Griff bekamen. So bekam ich eine Oxitocinspritze, die Plazenta kam vollständig und dann war alles unter Kontrolle.
Wir schmusten und stillten und freuten uns alle. Mein Mann war so aus dem Häuschen, dass er innerhalb einer halben Stunde wieder alles aufgeräumt, abgepumpt und abgebaut hatte. Es war alles wie vorher, nur eben mit Baby im Arm und Storchenquilt (mein Avatar) im Fenster. Wir machten nun endlich ein Feuer im Kamin, was ich mir doch für die Geburt gewünscht hätte. Aber so wars auch gut, mir war so kalt und Leni sollte es zur U1 doch auch schön warm haben.
Die wurde dann sogar auf/ neben meinem Bauch gemacht, wir waren nie getrennt. Bei den Maßen waren wir alle geschockt. 4440g, 52cm und ein KU von 37cm! Hatte ich doch egen des deutlich kleineren Bauchs mit einem kleineren Kind als vor zwei Jahren gerechnet.
Trotzdem war ich völlig unverletzt.
Etwa 13.00 brachte mich R. dann mal zur Toilette und half mir, mich zu waschen. In dem Moment kam die Oma mit Püppi heim, mit nem riesigen Topf Nudeln mit Tomatensoße für uns alle. Das erste Treffen unserer Töchter haben wir gefilmt,es war zum heulen schön! Püppi hat Leni sofort gestreichelt, mit ihr gesprochen und war ganz fasziniert.
Einiges war hier anders als erwartet gelaufen. Dass Abtauchen in die eigene Welt fand nicht statt, ich war die ganze Zeit über voll da. Ich hatte nicht eine Sekunde an Schmerzmittel gedacht, überhaupt spielte es gar keine Rolle dass wir eine HAUSgeburt erleben, das war so selbstverständlich und normal.
Auch bin ich froh, dass wir doch keine Alleingeburt hatten. Hätte ich so gemacht, wie ich wollte- eine Geburt im Hocken und ohne dass mich die Hebamme immer ausbremste- wer weiß, ob ich auch heile geblieben wäre. Mit der starken Blutung am Ende wäre ich auch überfordert gewesen. Nee, war schon gut so.
Ich hab einfach zwischen Frühstück und Mittagessen mal ein Kind bekommen und es war zugleich banal und grandios.