Die lange Reise des kleinen Prinzen

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einneuesleben
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Die lange Reise des kleinen Prinzen

Beitragvon einneuesleben » Fr 11. Dez 2015, 22:36

Ich habe mich nun ein paar Tage immer mal wieder an einen Versuch gesetzt einen Geburtsbericht zu schreiben. Ich habe große Erinnerungslücken. Aber ich denke eigentlich ist es ein gutes Zeichen, dass ich nicht jede Stunde bewusst als Stunde wahrgenommen habe. Es kann also sein, dass ich manches im Ablauf durcheinander gebracht habe. Orientiert habe ich mich auch etwas an dem Bericht meiner Hebamme und versucht zeitlich einzuordnen und zu rekonstruieren, was ich noch weiß. Ich freue mich über einen behutsamen, konstruktiven Austausch und Anregungen von euch.

Nach einer ereignisreichen Schwangerschaft, in der J's Papa (W) aus Amerika zu uns und wir zusammen von Hannover nach Leipzig ziehen, wir dort nach schweren 2 Monaten merken, dass ich wieder nach Hause muss und entschließen mit allen sagen zurück nach Hannover zu ziehen, kommt im September unser Sohn zur Welt. Eine Wohnung wieder loswerden, eine neue finden. Aufs Schicksal vertrauen, mit einem wunderschönen neuen Zuhause belohnt werden und im Hochsommer noch komplett renovieren. In Leipzig hatte ich einen Platz im Geburtshaus aber hier in Hannover bekomme ich keinen mehr. Daraufhin setze ich mich intensiv mit dem Thema Geburt auseinander und informiere mich über Hausgeburten. Ich treffe mich mit mehreren Hebammen, es herrscht Versicherungschaos. Finde schlussendlich zwei Hebammen, die sich die Rufbereitschaft für mich teilen. Der ET ist am 4. September. S übernimmt den August, I den September. Ich hoffe auf eine Geburt mit I. Im 8. Monat kann ich also anfangen, mich langsam auf die Geburt meines Kindes einzustellen. Beide Hebammen sehe ich bis zur Geburt zweimal.
Emotional geht es mir langsam besser, dafür wird es körperlich beschwerlich. Der Bauch ist groß, es ist heiß, ich hab 17 Kilo mehr drauf - erst nach der Geburt merke ich, wieviel Wasser ich eingelagert hatte. Ich nehme oft ein Bad in der tollen Wanne, die am Fenster steht, welches zum Hof rausgeht auf dem Bäume stehen und im Wind schwingen und rauschen. Mein Idyll. Im Nachhinein merke ich aber, dass ich nie wirklich realisieren konnte, was genau passieren wird. Wofür ich die Geburtsschmerzen auf mich nehmen werde. Ich habe es geliebt die Tritte im Bauch zu spüren und zu sehen aber eine Vorstellung davon, dass da wirklich ein Baby in meinem Bauch ist, ist mir nicht gelungen. Ich vermute, dass das für viele Frauen so ist, die ihr erstes Kind bekommen. Heute sehe ich darin einen mehrerer Gründe warum die Geburt dann so beschwerlich für mich wurde.

Der September rückt näher, ich habe keine Übungswehen, spüre keine Senkwehen. Bei der letzten Vorsorge mit S tastet sie meinen Bauch ab und sagt, dass sich das Köpfchen schon gesenkt hat. Ich bin ruhig, weiß, dass es noch etwas dauert. Am 30. August bei 39 + 2 bereite ich das Badezimmer vor, indem ich Kerzen aufstelle und eine Affirmation sowie die Blume des Lebens an die Fliesen bei der Wanne anbringe. W ist sehr still, wir warten auf die Geburt.

In der Nacht zum 1. September, bei 39 + 4, bin ich um 5 wach, sitze im Wohnzimmer auf der Couch und lausche den Geräuschen unserer feiernden Nachbarn, lese und ein besonderes Gefühl beschleicht mich. Bald ist es soweit. Ich habe ein mensähnliches Ziehen und dunkler Schleim geht ab.

Pünktlich zu I's Rufbereitschaftsbeginn an diesem Tag bekomme ich eine SMS von ihr in der sie fragt ob ich einen aktuellen US habe. Ich schreibe ihr zurück, dass ich den dritten gemacht habe. In dem Fall hätte sie gerne noch einen US am ET, schreibt sie. Ich werde unruhig, weine viel und merke, dass ich dafür keine Zeit mehr habe und auch nicht bereit bin, mich aus meiner Geburtsblase heraus zu einem Ultraschall zu bewegen. Ich bin aufgebracht, dass sie mit sowas jetzt kommt, will ich doch einfach nur in Ruhe gebären. Ich versuche sie anzurufen aber sie hebt nicht ab und ruft erst nach 2 Stunden zurück. Für mich ist da bereits klar, dass ich sie nicht zur Geburt hier haben will. Ich rufe S an, sie findet einen US an ET unnötig und ich frage sie, ob sie zur Geburt kommen würde, wenn sich die Sache mit I nicht klärt. Sie sagt ja - wenn ich das möchte und keine ihrer Frauen sie braucht, dann kommt sie, ich soll mich am nächsten Tag nochmal melden, was mit I herausgekommen ist. Als I dann anruft zeigt sie sich verständnislos, erklärt sich aber bereit am ET zu kommen "und dann schauen wir mal und machen dann aber ein CTG!". Ich sage dazu nichts und verabschiede mich von ihr.

Ich gehe mit meinem Freund ins Bett und wache am 2.9. um 4 mit leichten Wehen auf. Ich spüre - das ist also Geburt. Ich bin aufgeregt aber versuche nochmal zu schlafen. Um 6 stehe ich auf und lasse ich mir eine Wanne ein, ich habe regelmäßige Wehen. Immer mal wieder steige ich aus und tapse ins Schlafzimmer, überlege meinen Freund zu wecken, zögere aber, fühle mich etwas ängstlich, fast schüchtern, irgendwie scheu.
Gehe also immer wieder in die Wanne zurück, bis ich ihn dann um 8 wecke und rumdruckse. Er ist auch aufgeregt, als er versteht, dass es soweit ist. Die Stimmung wird feierlich, er holt sich einen Stuhl und setzt sich neben die Wanne. Er wird nun nicht mehr von meiner Seite weichen. So verbringen wir dann ein paar Stunden, reden, auch darüber, wann und welche Hebamme wir nun anrufen sollen oder können wir es alleine schaffen?, spekulieren darüber wie weit es schon ist. W. ist sehr liebevoll und ruhig, ich spüre, dass ich mich 100% auf ihn verlassen kann, mich fallen lassen kann. Das Gefühl, dass ich am Wichtigsten, dass ich in diesem Moment heilig bin, ist sehr präsent und hilft mir, mich auch auf mich zu konzentrieren, bin ich doch sonst gedanklich immer sehr mit den anderen beschäftigt. Er scheint zu glauben, dass es schon bald geschafft ist. Ich nehme die Wehen bald als kräftiger werdend, schneller kommend wahr. Um 10:45 kommen die Wehen nach W alle 2 Minuten und ich bitte ihn S anzurufen. Er erklärt ihr in seinem besten Deutsch die Lage und fragt sie, ob sie kommen kann. Ohne zu zögern willigt sie ein. Um 12:20 ist sie da.

Bei ihrer Ankunft wehe ich weiter in der Wanne vor mich hin. Sie setzt sich dazu, bittet mich, die Herztöne hören zu dürfen und rät mir zur Toilette zu gehen, was ohne Erfolg bleibt.

Sie bittet mich nach einer Stunde den Muttermund untersuchen zu dürfen. Ich habe nichts dagegen, sage aber, dass ich nicht sicher bin ob ich wissen will, wie weit er eröffnet ist. Sie sagt anschließend, dass ich schon ein gutes Stück geschafft habe. In ihrem Bericht steht 13:22 Vag U: MM 2-3cm. Sie sagt dann, dass sie uns jetzt nochmal ein bisschen alleine lässt, in 2 Stunden ist sie wieder da. W und ich fühlen uns etwas ernüchtert - die Wehen sind doch schon so stark und ich liege nun schon seit gut 6 Stunden in der Wanne. Ich nehme verschiedene Positionen ein, arbeite, laufe manchmal auch etwas in der Wohnung herum oder liege einfach nur im Wasser auf der Seite und versuche mich auszuruhen. Wir halten die ganze Zeit Blickkontakt und ich fühle mich aufgehoben. Zwischendurch fragt mich W ob er mit mir atmen soll, ich bejahe. Irgendwann stört es mich aber und ich bitte ihn aufzuhören. Er bietet mir auch an die Affirmation an der Wand, in der der Muttermund mit dem Bild einer Kerze, die brennt, weich und weicher wird, für mich vorzulesen. Ich bejahe wieder, bitte ihn dann aber mit den Worten "I don't think I want the candle to burn brighter" aufzuhören. Sonst ist er einfach nur da, ich schaue ihm unter der Wehe in die Augen und er schaut zurück.

S kommt um 15:30 wieder. Die Wehen kommen laut ihrem Bericht alle 4 Minuten und dauern 60 - 90 Sekunden, sie beschreibt sie als mittelstark - stark. Es fällt mir zunehmend schwerer die Wehen anzunehmen, ich fange an den Kopf zu schütteln und zu weinen. Werde wieder stark, werde wieder müde. Zwischendurch wird mir schlecht und ich versuche mich zu übergeben. Ich weiß, dass es wichtig für den Fortschritt der Geburt ist, mit den Wellen zu gehen, sie nicht abzulehnen. Das tue ich auch auf eine Art und Weise aber ich bin nicht ruhig, bin nicht entspannt. Ich lasse alles zu und verfalle in ein Meer von Emotionen. Gebe mich dem hin, bin alles auf einmal und genieße diesen Ausbruch. (Hier werden meine Erinnerungen bruchstückhaft, es kann sein, dass ich Abläufe nicht mehr richtig zusammen bekomme. Werde ab hier mit S' Geburtsbericht ergänzen.) Irgendwann gewöhne ich mich etwas an die Wehen, an den Sturm und das tut gut, ich kann loslassen und entspanne mich etwas. Etwa um diese Zeit beginne ich mich in den Vierfüßlerstand zu begeben.

Um 17:00 vermerkt S, dass die blaue Steißlinie fast fertig aufgeprägt ist, die Wehen sind gut und kräftig, kommen alle 2-3 Minuten. Der Muttermund ist ca. 9cm eröffnet. Sie schreibt: J tönt gut und rhythmisch mit.

17:45 "J schiebt leicht nach unten."

18:31 "J ist momentan auf dem Geburtshocker"
W sitzt hinter mir. Lange verbringen wir so nicht.

19:00 "vag U (auf Wunsch von mir) MM 8-9cm, FB prall, ist bei leichter Berührung gesprungen, Fruchtwasser klar, Abgang von blutigem Schleim zusätzlich"

Ich bemerke kaum, dass die Fruchtblase springt. S betont, dass sie sie nur ganz leicht berührt hat.

19:02 "J ist wieder in der BW; rücklings -> linke Seitenlage, Herztöne (*sie gibt in ihrem Bericht auch die Werte an, wenn ich hier Herztöne schreiben) gut und kräftig, Wehen alle 2-3 Minuten, Dauer ~ 90sec, gute und kräftige Wehen"

19:59 "J ist auf der Toilette zum Wasserlassen, nicht geklappt -> da seit mehreren Stunden kein Urin gelassen wurde (zumindest nicht bemerkt wurde) 20:15 Entschluss zum Katheter, wenig, konzentrierter Urin"

S erklärt mir, dass es sein kann, dass die Blase im Weg ist und sie einen Katheter legen könnte. Ich willige also ein, es ist aber ziemlich unangenehm. Im Anschluss trinke ich erstmal eine Weile nichts, da ich befürchte die Blase zu füllen.

20:25 "vag U MM 6-7 cm, dickwulstig in der Wehe, Abgang von klarem FW, Abgang von leicht blutigem Schleim
J liegt auf der Couch, 3 Wehen linke Seite, 3 Wehen rechte Seite"

20:45 "MM 9 cm in der Wehe, Kind schiebt gut"

S besteht nicht darauf mich zu untersuchen, ich weiß nicht, ob sie nur von sich aus auch fragen würde aber sie fängt an es mir anzubieten, als sie merkt, dass ich es als hilfreich empfinde wenn sie mich untersucht. Sie sagt mir nie, wie weit ich bin oder was sie sonst spürt ausser irgendwann das Köpfchen. Vielleicht habe ich das Gefühl mit den Wehen weniger allein zu sein. Wenn sie eine Wehe kommen spürt, sagt sie "Wehe?". Vielleicht versuche ich so etwas an sie abgeben. Die Kontrolle für einen Moment abgeben. Vielleicht fühlt es sich hilfreich an durch ihre Berührung zu spüren, wo alles passiert, ist doch alles für mich nurnoch eine einzige Wehe. S ermahnt mich, zwischen den Wehen entspannt zu atmen aber ich kann nicht aufhören zu tönen, zu stöhnen, es ist so anstrengend, ich bin so erschöpft. Ich will, dass es vorbei geht, will schlafen, frage immer wieder wie lange es noch dauert und, dass ich nicht mehr kann. S sagt: "Doch du kannst!". Sie macht mir Mut und "akzeptiert" keine Zweifel. Sie lässt sich auch im weiteren Verlauf nie eigene Zweifel anmerken, von denen sie mir aber nach der Geburt berichtet.

21:00 Herztöne gut und kräftig

Ich kann alles zeitlich nicht mehr genau einordnen. W sagt, ich habe einfach Stunden in der Badewanne verbracht, habe auf die Couch gewechselt, bin wieder in die Wanne und so fort.

22:10 "J in der Badewanne, wechselnde Positionen"

S lässt uns die meiste Zeit alleine, schläft zwischendurch. Ich turne in der Wanne umher wie verrückt. Stehe, stelle ein Bein hoch, wiege mich vor und zurück. Lege mich wieder hin. Vierfüßler. Halte mich an W fest. Gebe alle Töne von mir, die es da gibt in mir. Ich habe das Gefühl es wird nie wieder aufhören. Ich werde mich für immer so fühlen. Ich habe mich als sehr laut in Erinnerung.

23:45 "vag U Mumu unverändert, Abgang von klarem FW.
J hat große Angst -> Homöopathische mischung
5 Glob Aconitum C200 gegen die Angst
5 Glob Staphisagria C30 (Selbstbewustsein)
5 Glob Pulsatilla C30 (Kindeseinstellung)
1 Pipette Rescue Tropfen (gegen Angst)
-nach jeder Wehe ein Schluck
J ist entspannter, steht im Wasser, probiert mehrer Positionen aus, ist ruhig und entspannt."

Mir geht es langsam besser. Ich trinke zwischendurch von der Mischung und ein paar Schlucke Orangensaft. Ich verarbeite die Wehen und nutze die Pausen nun besser. Was in den nächsten vier Stunden in mir vorgeht vermag ich nicht mehr zu sagen.

2:05 J wird wieder um etliches "lauter", Herztöne, J schiebt sporadisch mit, derzeit stehen/tiefe Hocke

4:00 Immernoch idem Mumu

4:05 Herztöne
"Seitenlage auf der Couch, zwischendurch immer wieder Ruhe, dösen"

Ich kann mich wirklich etwas ausruhen. Werde von den Wehen wach, kann Anfang und Ende der Wehe klar ausmachen und schiebe mit. Auch meine Geburtsbegleiter ruhen sich aus und dösen. Ich schaue sie mir zwischendurch an und denke, wie können die nur schlafen, sie müssen doch auf mich aufpassen. Irgendwann genieße ich aber die Ruhe im Raum und, dass sie bei mir sind während ich auf meine Wehen warte und döse. Sie sind mit jeder Wehe mit mir wach und W hält mich. Diese Zeit habe ich als besonders schön in Erinnerung. Ich liege auf der Seite, unter der Wehe nehme ich das obere Bein in die Hand und schiebe mit. Das fühlt sich sinnvoll an. Endlich glaube ich wieder daran, dass ich hier ein Baby bekomme und, dass ich es schaffe. Ich fange an, selbst nach dem Köpfchen zu tasten. Irgendwann frage ich auch, warum es denn so lange dauert. S sagt nach kurzem Zögern, dass das Baby immoment als Sternengucker liegt und dass sie glaubt, dass er sich noch drehen wird.

6:00 S hört Herztöne "Mumu unverändert"

7:10 "Kopf tritt tiefer, Mumu vollständig, regelmäßige Wehen alle 3 Minuten, J schiebt mit, Kopf in der Tiefe sichtbar
J sitzt auf dem Hocker und schiebt, knötert mit, kein aktives Pressen"

Ich glaube, dass S hier nach Kaffee fragt um einen Dammschutz zuzubereiten. Ich schöpfe Hoffnung, dass es nun wirklich bald geschafft sein wird. Bin aber sofort wieder etwas frustriert, weil es ja scheinbar immernoch "für immer" dauern wird, warum macht die dann Kaffee?!

7:20 "J möchte sich hinlegen -> Couch".

Ich fühle mich nicht mehr hilflos, ich weiß, dass es nun voran geht und unendlich erleichtert, dass nun ein Ende in Sicht ist. Ich bin erschöpft und habe kaum Kraft, bin aber froh etwas tun zu können und das motiviert mich noch ein bisschen zu laufen auch wenn es mich viel Kraft kostet.

8:00 "J läuft und schiebt nach unten"
W hält mich, ich halte mich an ihm fest und wir kreisen mit dem Becken. Ich nehme alle meine Kraft zusammen und gehe durch die Wohnung, lasse die Wehen zu.

8:15 "J wieder auf dem Hocker"

W sitzt hinter mir, ich presse und bin einfach nur froh. Ich habe keine Angst davor zu reißen, es wird ein Schmerz sein, der ganz sicher vorüber geht. Es wird nicht "für immer" so sein. Ich fühle immer mal wieder und kann es kaum glauben, dass es wirklich bald geschafft ist. Endlich! Es dauert einige Wehen und ich schiebe und schiebe aber ich habe einfach kaum noch Kraft. S sagt, ich soll jetzt nochmal mit aller Kraft schieben und dann ist der Kopf geboren. Dann schiebe ich auch den Körper meines Babys hinaus. Da ist er. S fängt ihn auf. Er ist ganz blau. Ich frage ob er gesund ist und sage sowas wie "Oh mein Baby, Oh mein Schatz". W sagt sowas wie "Oh my god". Es ist vor allem die Anspannung die von mir fällt. S macht ganz schnell irgendwas mit ihm, saugt ihn ab und gibt ihm etwas in den Mund. Es stört mich, dass sie das macht. Sie beeilt sich. Dann gibt sie ihn mir auf den Arm und W und ich schauen ihn uns an, er ist immer noch ganz blau. Es ist unglaublich, dass ich jetzt ein Baby, mein Baby im Arm habe. Ich weiß garnicht richtig, wie ich ihn halten soll. Ich frage S wieder, ob er gesund ist und sie reibt ihn etwas mit einem Handtuch ab. Nun fängt er an Farbe zu bekommen und gibt Laute von sich. Ich finde seine Stimme wunderschön und seine Ohren.

8:32 "Spontanpartus eines lebensfrischen Knabens aus T HHlg -> Nophretetenschädel
Apgar 7 - 8 - 10, erholt sich zusehendes, 1 Globuli Aconit C30, abgesaugt Nase/Mund
Gewicht 4320gr Lg: 55cm KU 37cm"

8:40 verstärkte Blutung bei J (~1l But verl.)

Dann werde ich kurz bewusstlos, es fühlt sich an wie eine Ewigkeit, als träume ich tausend Träume in dieser einen Minute, als schliefe ich eine Ewigkeit. Ein Rauschen. Und Ruhe. Ich verlor also einen Liter Blut und W sagt, dass S dann sehr ernst wurde und er große Angst um mich hatte. Ich komme schon wieder zu Sinnen und S möchte abnabeln, sie trifft diese Entscheidung und ich sage "noch nicht!". Im Nachhinein trauere ich nicht darum. Es war eine lange Geburt und auch für S eine Nervenprobe. Bevor sie es tut, sage ich, dass W die Nabelschnur durchschneiden soll. Sie lässt ihn obwohl sie sehr eilig wirkt. S bringt unseren Sohn ins Schlafzimmer. Ich begreife es nicht und sage nurnoch "Wo ist das Baby? Wo ist das Baby?". Dann stützen sie mich zu zweit, ich kann kaum die Beine heben, und bringen mich ins Bett wo ich ihn dann wieder erblicke. Da liegt er. Ich bekomme ihn auf die Brust gelegt.

8:45 abgenabelt

8:50 J ins Bett gelegt und genäht (DR II°) Labienschürfung re; Labienruptur li außen

S betäubt mich bevor sie mich näht, ich bin ihr dankbar. Ich halte keine Schmerzen mehr aus. Während S mich näht frage ich sie, ob es lange dauern wird und ob die Wehen stark sein werden, wenn ich die Plazenta gebäre. Ich habe einfach keine Kraft mehr.

9:55 Spontanausstoßung der vollständigen Plazenta, Eihäute vollständig

Ohne Wehe drücke ich die Plazenta heraus, es tut nicht weh. Ich glaube S zieht leicht mit.

10:30 J legt das Baby an, klappt mäßig

Ich hatte fast vergessen, dass ich mein Baby ja auch stillen werde. Ich frage S was denn damit ist und sie sagt, dass wir es zusammen versuchen können. Sie legt ihn mir an die Brust und er versucht ein bisschen zu saugen, verliert aber das Interesse. S sagt, dass es für ihn auch sehr anstrengend war und wie ihm Zeit geben müssen und es später nochmal versuchen sollen. Irgendwann im Laufe des Tages, den wir zu dritt im Bett verbringen, versuche ich es nochmal und er saugt und schluckt sofort. Das Schluckgeräusch ist mir in besonderer Erinnerung.

11:45 Uterus gut kontrahiert, Blutung normal, Fundus Nabelhöhe, Baby wird gut gekuschelt

12:10 Abfahrt


Es gibt für mich noch ein paar Unklarheiten und doch bin ich heute im Reinen mit der Geburt, so wie sie war. Ich bin froh, dass die Dinge so gekommen sind, dass S und nicht I mich begleitet hat. Ich glaube, dass I (sie fängt gerade erst mit Hausgeburten an) gemerkt hat, dass sie sich nicht traut - und das war auch gut so. Ich glaube, dass sie mich verlegt hätte, was wahrscheinlich im Kaiserschnitt geendet hätte. Zuallererst bin ich froh, zuhause gewesen zu sein. Aufgehoben gewesen zu sein. Jetzt wo ich den Bericht geschrieben habe, merke ich, dass die Geburt doch auch einem nachvollziehbaren Ablauf hatte. Das tut gut.

Ich möchte nochmal anmerken, dass die vielen Untersuchungen durch S in der Situation in Ordnung für mich waren und teilweise auf meinen Wunsch hin passierten. Es war schlussendlich viel Vertrauen zwischen uns und die Geburtssituation hat für mich dadurch glaube ich einiges an Intimität und Geborgenheit dazugewonnen. Ich bin aber offen für eventuelle Denkanstöße diesbezüglich. Ich denke nämlich auch, dass ich so versucht habe etwas von meinem Schmerz und meiner Hilflosigkeit abzugeben, ist etwas was es sich für mich lohnt genauer anzusehen. Ich erkenne, dass ich unter der Geburt dazu geneigt habe stark nach Unterstützung zu suchen und nach meiner Fähigkeit sie anzunehmen. Vielleicht wäre es wichtig für folgende Geburten etwas mehr "in mir" bleiben zu können, ohne Eingriffe von aussen. Es gibt ein paar Sachen, zb den Katheter, wo ich heute denke, dass es vielleicht nicht nötig war und mich gestört hat. Ich bin heute aber vor allem dankbar, dass ich zuhause geboren habe.

Das Wochenbett war zauberhaft und anstrengend zugleich. Mein Baby, mein Mann, alles in helles warmes Septemberlicht getaucht. Die Ruhe nach dem Sturm. Die Geburt lag noch etwas als Last auf mir aber gleichzeitig war alles so bedeutsam und heilig. Auch der Schmerz. Ganz ganz besonders und leicht diese Tage, ich war selbst neu geboren.

Die ersten Tage konnte ich nicht alleine aufstehen, zur Toilette gehen, ich konnte mich nicht hinsetzen und mich kaum im Bett herumdrehen. Ich war heiser und hatte starke Verspannungen im Nacken, die uns das Stillen etwas erschwerten. W brachte mich zur Toilette, er wechselte meine Einlagen, brachte mich in die Badewanne. Es war, als wäre er ein Teil von mir, mein dritter gesunder Arm und ich vertraute ihm blind. Auch meine Gefühle nach der Geburt fing er auf, die Plazenta, die zweimal versehentlich im Müll landete, fischte er jedes Mal wieder heraus, damit ich sie mir vielleicht doch nochmal ansehe. Die Plazenta war für mich irgendwie der Inbegriff allem der Geburt was so schwer auf mir lastete und ich konnte sie mir nicht ansehen. Brauchte sie aber in der Nähe. Schlussendlich bat ich W dann sie weg zu tun.

Es war ein unglaubliches, wunderschönes Gefühl so verbunden mit ihm zu sein und auch er ist sehr froh über dieses Erlebnis. Er war unter der Geburt ununterbrochen an meiner Seite, er war dabei immer ruhig, sah mir in die Augen, teilte meinen Schmerz und hielt mich. Dafür bin ich ihm sehr dankbar und ich bin zutiefst beeindruckt.

J ist heute 14 Wochen alt. Er ist groß und kräftig und fröhlich und wunderschön und voller Leben. Auch dafür empfinde ich tiefe Dankbarkeit.

Ich freue mich auf Eure Gedanken zum Bericht...
Der kleine Prinz 09/15 Zuhause

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Josie2013
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Re: Die lange Reise des kleinen Prinzen

Beitragvon Josie2013 » Fr 11. Dez 2015, 23:18

Ich bin sehr beeindruckt. Das war eine wirklich sehr schwere Geburt, die Du da gemeistert hast. Auch sehr stark, dass deine Hebamme diesen Weg mitgegangen ist. Ich glaube, viele hätten verlegt.
Kann mir nur ansatzweise beim lesen vorstellen, was das für ein übermenschlicher Kraftakt deinerseits gewesen sein muss. Meinen tiefen Respekt :flagge:
Irgendwie liest du dich übermäßig selbstkritisch, rechtfertigend, stellenweise regelrecht entschuldigend. Warum? Du hast eine 30-Stunden-Geburt gepackt. Sei stolz auf dich und dein tolles Kind, dass ihr das geschafft habt! Und das beim ersten Kind finde ich gleich noch mal stärker.
Der Pirat 10/09 KH
Der Kosmonaut 06/14 HG
Die Prinzessin auf der Erbse 05/16 HG
Die Rumpeline 09/22 HG

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Ardilla
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Re: Die lange Reise des kleinen Prinzen

Beitragvon Ardilla » Sa 12. Dez 2015, 07:18

Respekt vor dem was du geschafft hast! Es waren anstrengende Stunden für dich und dein Kind, aber ihr habt es mit eurer Hebamme prima gemeistert. Ich freue mich, dass ihr eine Hausgeburt haben konntet, denn im KH wäre sicher stark interveniert worden.
Julitochter * 2001 (ambulante Beleggeburt)
Februarkerlchen * 2005 (Hausgeburt mit KS beendet)
Julimädchen * 2011 (Hausgeburt)

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selkie
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Re: Die lange Reise des kleinen Prinzen

Beitragvon selkie » Sa 12. Dez 2015, 07:27

Dein bericht und diese geburt erinnern mich so an meine erste geburt. Sie war auch so lange, mühsam und kräftezehrend, ich hatte auch erinnerungslücken und kaum noch kraftzum ende. Zum ende wurde ich dann doch verlegt und mit wehentropf kam meine tochter im kkh zur welt. Ich kann deine selbstkritik so gut verstehen, aber du hast dein erstes kind aus eigener kraft geboren und das ist was zählt. Und darauf darst du mehr als stolz sein.
Meine folgegeburten waren dann der reinste spaziergang.... So wünsche ich es dir auch.
Vielen lieben dank für deinen bericht und dass du uns daran teilnehmen lässt.
sternchen 2000 (5.woche), sternchen 2009(5.woche), wunschkind 2009 (abgebrochenen HG), sommerkind 2013 (HG), sternenkind 2015 (HG 13.woche), winterkind 2015 (HG)
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Küken_Glück
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Re: Die lange Reise des kleinen Prinzen

Beitragvon Küken_Glück » Sa 12. Dez 2015, 22:28

Respekt so eine lange Geburt und so toll gemeistert. Du kannst gut analysieren!
*05/2008, KH
*04/2013, HG
*04/2016, AG
*08/2019, HG
*08/2021, KH

Lottamarie

Re: Die lange Reise des kleinen Prinzen

Beitragvon Lottamarie » Sa 12. Dez 2015, 23:07

Wow. Auch du hast meinen vollen Respekt. Du hast das toll gemeistert und dein Baby auch. Du darfst sehr stolz auf dich sein und es gibt gar keinen Grund für die Selbstkritik!

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Schneekönigin
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Re: Die lange Reise des kleinen Prinzen

Beitragvon Schneekönigin » Sa 12. Dez 2015, 23:59

Was mir auffällt - du warst bei 9cm. Dann der Blasensprung bei der VU. Dann der Entschluss zu katheterisieren. Es war unangenehm schreibst du, bei der nächsten VU nur noch 6-7cm. Ich finde die Gründe nachvollziehbar. Könnte ich mir vorstellen, dass das dir eine Weile mehr Geburtsdauer eingebrockt hat. Dieser Angstmoment um 23:45..Diese Angstphase kenne ich von allen 4 Geburten auch. Kurz bevor die Presswehen kamen. Beim Lesen dachte ich, so jetzt hat sie es gleich. Aber nein.....
Du Liebe, ich war beim ersten Kind gegen 5:30 vollständig. 6:30 idem. 7:20 Spontangeburt. Ich hatte großes Glück, dass ich eine Beleghebamme hatte, die sich nicht an die Klinikrichtlinien hielt. Maximal ne Stunde ohne nennenswerten Fortschritt tolerieren die da.
Wenn ich deinen Verlauf lese, dann wird mir ganz anders. In der Klinik hätten die dich 10x aufgeschnitten in der Zeit.
Schön auch, dass S. cool blieb und nicht zum Verlegen drängte. Auch große erste Kinder mit schwieriger Lage können spontan Zuhause geboren werden. Das hast du bewiesen.
Paar Tage vor dir, hab ich ja meine längste Geburt erlebt, Stunden unter heftigen Wehen ohne das Gefühl es würde weiter gehen, ich war so, so müde. Es waren wenige Stunden im Vergleich mit deiner Geburt, es war die vierte und nicht die erste Geburt. Will sagen - ich finde es beeindruckend, was du da geleistet hast. Selbstkritisch brauchst du nicht sein.
* 04/08 7. SSW
Winterling 28.02.09 einfache, spontane Belegeburt im KH
Schneeprinzessin 02.01.11 schnelle, spontane Beleggeburt im KH
Schnuppe 01.05.13 traumhafte, unkomplizierte Alleingeburt im Pool
Blümchen 19.08.15 erkämpfte, wundervolle Alleingeburt im Pool

DAIS Stillbegleiterin

lela15

Re: Die lange Reise des kleinen Prinzen

Beitragvon lela15 » So 13. Dez 2015, 00:04

Danke für deinen Bericht. Du hast das ganz toll gemeistert und wirklich viel Kraft und Stärke bewiesen. Darauf darfst du wirklich stolz sein! Alles Liebe und Gute für eure Zukunft als Familie. Es hört sich toll an, wie dein Partner dich während der Geburt und im Wochenbett unterstützt hat.

Jeanie
Beiträge: 327
Registriert: So 2. Mär 2014, 16:15

Re: Die lange Reise des kleinen Prinzen

Beitragvon Jeanie » So 13. Dez 2015, 14:18

Ich finde es auch beeindruckend, wie toll Du das gemeistert hast - und wie entspannt Deine Hebamme geblieben ist. Und wenn Du die Untersuchungen gut fandest, dann ist doch alles gut. Es geht doch nicht darum, sich möglichst wenig von der Hebammen anfassen zu lassen. Es sollte sich aber eben für die Frau gut anfühlen - und das tat es doch bei Dir. Ihr hattet einen guten. Draht zueinander entwickelt und Deine Hebamme konnte wohl richtig einschätzen, was für Dich in Ordnung ist.
Ich hatte ja eher eine be**** KH-Geburt, aber komischerweise fand ich das Umfahren meines Muttermundes ganz am Schluss (war wohl eine leichte Schwellung da) erleichternd. Ich kann meiner damaligen Hebamme viel vorwerfen, aber gerade das nicht. Und Du solltest es DIr selbst ganz sicher nicht vorwerfen.
Du hast ganz wunderbar auf Dein Gefühl vertraut, die richtige Hebamme gerufen und Dich immer wieder in die Geburtssituation einfinden können. Und das bei Sterngucker und erster Geburt ... Und 30h ... :daumen:
  1. Feuerwehrhauptmann 2011 im KH

  • Tanzmaus 2014 daheim als HG

berlingeburt
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Registriert: Mo 7. Jul 2014, 00:22

Re: Die lange Reise des kleinen Prinzen

Beitragvon berlingeburt » So 13. Dez 2015, 16:30

Hallo,
danke für deinen ausführlichen Bericht.
Er erinnert mich in großen Teilen an meine, hab ihn auch reingestellt...
Toll, dass du insgesamt so ruhig geblieben bist mit 2 lieben unterstützenden Menschen, Hebamme und Freund, Beide waren bei mir leider nicht so ruhig und eine Verlegung stand "schnell " ins Haus, 6 Stunden nach status idem auch um die 8 cm wurde verlegt mit dem Ergebnis Kaiserschnitt.. Ich kann mich noch gut erinnern woie anstregdnd und kräfte zehrend das war diese kräftigen wehen zu haben, die den mumu schon so weit geöffnet haben und gleichzeitig zu wissen, es geht gerade einfach nichts voran. :wolke:
ihr seid eine tolle familie und habt viel zusammen geschafft :herzen:
lese gerne von dir


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