Der Tag, nachdem die Schildkröte kam...

öffentliches Forum

Moderator: Hausgeburtsforum

Susy
Beiträge: 21
Registriert: Do 29. Jan 2015, 19:17

Der Tag, nachdem die Schildkröte kam...

Beitragvon Susy » Mi 8. Jul 2015, 15:46

Hallo ihr Lieben, :cap:

endlich schaff ich nun, unseren Geburtsbericht zu schreiben....

Am 17. Mai, inzwischen sind wir schon 40+5, gerade als ich unter der Wiege staubsauge, :staub: merke ich, wie es anfängt, nach unten zu schieben. Ganz schmerzlos, auch ist der Bauch nicht hart, aber es ist ganz deutlich eine drückende, schiebende Abwärtsbewegung zu spüren. Ich fange an zu strahlen wie ein Honigkuchenpferd. :dudu: :hurra2: :hurra2: :hurra2: Sollte es nun endlich, endlich losgehen?? Meinem Mann hab ich noch nichts gesagt. Schließlich war jeder überzeugt, dass unser Baby früher kommt, so dass wir schon seit 3 Wochen gespannt wie die Flitzebögen in Startposition sind und ich persönlich hab schon gar nicht mehr so richtig dran geglaubt, dass das Baby irgendwann tatsächlich da raus will :keinplan: Nicht unnötig die Pferde scheu machen.....
Der strebende Druck nach unten hielt an, jedoch völlig ohne spürbare Wehen. Ich hab meinen Haushalt fertig gewurschtelt und dann im Garten weitergemacht. Ein Nachbar fragte ganz unverhofft, ob wir denn Interesse an einer weiteren Landschildkröte hätten. Die Schildi einer Bekannten würde dringend einen schönen Platz suchen.
Unser Sohn hat eine Landschildkröte, die Isi. Und wir überlegten seit einiger Zeit, für Isi einen Gefährten zu beschaffen. Doch müsste die schon etwas größer sein als die, die so im Zoohandel angeboten werden. Außerdem, war die Überlegung, wäre eine Schildkröte pro Kind tatsächlich nett.
So erklären wir uns bereit, der wohnungslosen Schildkröte bei uns ein Zuhause zu geben.
Eine Stunde später steht der Nachbar mit der Emma in einer Schachtel unterm Arm in unserem Garten und mein Kommentar dazu ist: „So, jetzt kann man fürs Baby echt nichtmehr mehr organisieren und herrichten - jetzt hat´s sogar schon eine eigene Schildkröte, wenns hier ankommt. Jetzt sollte es sich also schon mal auf den Weg machen!“

.....und es hat sich auf den Weg gemacht.....

Abends dann wird der Bauch in Abständen von 6-8 Minuten hart, sonst spüre ich aber nichts. Gegen 23 Uhr sage ich meinem Mann, ich geh jetzt in die Wanne. Wenns so bleibt, machen wir den extra bereitgestellten Champagner auf :wolke: und stoßen auf den baldigen Geburtstag unseres Babys an- und gehen dann ins Bett um noch ein bisschen zu schlafen. Die Wanne ist allerdings enttäuschend und wir müssen ohne Champagner ins Bett. Kein Hartwerden mehr und der Druck nach unten ist kaum noch der Rede wert. Also weiter warten....

Schlafen kann ich nicht, denn meine Zappelbeine laufen in dieser Nacht auf Hochtouren. Also wandere wieder stundenlang durch die Wohnung und gehe um 4 nochmal in die Wanne, zum Zeittotschlagen. Um 5 Uhr früh merke ich dann, dass sich wieder was bewegt. Der Bauch wird wieder hart und laut Wehenapp alle 7 Minuten, immer so für über eine Minute. Diesmal hab ich vorsichtshalber meinem Mann Bescheid gesagt und ihn geschickt, mir 2 Wärmflasche zu machen und hab mich brav auf die linke Seite ins Bett gekuschelt. Während S. in der Küche ist, spüre ich plötzlich ein ganz heißes, fieses Ziehen, so dass es mir die Tränen in die Augen treibt. Ohje....es geht ja tatsächlich los. Aber ich hab mir doch vorgenommen, dass diese Geburt NICHT weh tut!!! :hilfe: :panik: :panik: Ein kleines bisschen Panik würde sich gerne breitmachen, aber als die nächste „Wehe“ kommt, ist es lediglich wieder nur ein schmerzloses Hartwerden und ich kann mich beruhigen. Um 9 Uhr will die Hebamme zur Vorsorge kommen und ich schicke ihr eine SMS, dass heute wohl unser Tag sein würde, obs bei 9 Uhr bleiben soll, oder ob ich mich melden kann. Denn jetzt im Bett wurde ich müde, so warm eingepackt mit den Wärmflaschen und ein bisschen Schlaf wäre sicher gut....Ich soll mich einfach melden, wenn ich ausgeruht bin, ist die Antwort. Und ich schlafe tatsächlich tief und fest ein.
S. macht unseren großen Sohn schulfertig und sagt ihm, dass es sein könnte, dass im Laufe des Tages wohl sein Geschwisterchen ankommen wird und falls unser Storchschild draußen an der Tür hängt, wenn er von der Schule kommt, soll er zu Tante und Onkel nach nebenan gehen.
Ich schlafe bis um 10 Uhr und bin schlagartig fit und hellwach. Es geht mir gut. Ich gehe ins Bad.....und veratme meine erste „richtige“ Wehe mit der Zahnbürste im Mund am Waschbecken. Die Zeit reicht grade zum Ausspühlen und Abtrocknen, dann stelle ich fest, dass Stehen vielleicht nicht mehr die beste Idee ist und wackle recht gekrümmt zurück ins Bett. Es ist jetzt 8 Minuten nach 10. Da weiß ich aber so garnicht, wie ich liegen, sitzen, leben soll, warte die Wehe ab und rufe die Hebamme an. Die Wehen kommen jetzt so alle 2 Minuten und ich muss ziemlich mitatmen. Das Wasser von meinem nächtlichen Baden ist noch in der Wanne und sogar noch warm. Ich setze mich rein und hier geht es viel besser und ich kann S. sogar Anweisungen geben und er fängt an, unten alles herzurichten, inkl. Pool. Glücklich, wippend und atmend sitze ich in der Wanne. Es ist gar nicht schlimm. Außer wenn mein Mann ins Bad kommt. Dann gehen die Emotionen mit mir durch. Darum schicke ich ihn raus - und er hat ja eh alle Hände voll zu tun.
Jetzt ist es 10.40 Uhr. Die Hebamme kommt und ich muss wieder weinen. Nicht vor Schmerz, sondern es ist so eine Mischung aus Erleichterung, Vorfreude, Muffensausen und einfach die Gewissheit: UNSER BABY IST JETZT WIRKLICH, WIRKLICH AUF DEM WEG ZU UNS. Sie sitzt neben der Wanne auf dem Boden und veratmet ein paar Wehen mit mir. So langsam muss ich auch anfangen, dass mit Oh´s und Ah´s zu unterstützen. Ich konzentriere mich ganz aufs Atmen und darauf, völlig locker und entspannt zu bleiben und schaffe es, dass mich keine Wehe „überrollt“. Nach ein paar Wehen will die Hebamme mal den MM tasten, dafür muss ich kurz auf den Rücken. Passt mir so garnicht, ich habe ein bisschen Angst, den Rythmus zu verlieren. Aber hilft ja nichts. MM ist keiner mehr tastbar, die Fruchtblase ganz prall.
Jetzt soll ich mich aber lieber auf die linke Seite legen, damit der Kopf gut ins Becken kann. Unten steht ja außerdem auch der Pool, da ist mehr Platz als in der Wanne.
Also flitze ich in der Wehenpause die Treppe runter - so schmerzlos ist´s dann doch nicht, dass ich eine Wehe im Stehen wegarbeiten möchte - und kurz bevor ich mich auf die Couch schmeißen kann, platzt die Fruchtblase. Ein komisches Gefühl.
Mein Mann kniet hinter mir, die Hebamme neben mir auf der Couch und ich bin schon fleißig am Schieben. Das ist erleichternd und beinahe angenehm. Ich halte S. an den Händen und mein Körper arbeitet völlig selbstständig. Zwischen den Wehen kann ich mich unglaublich entspannen, nutze die Schlafatmung, die ich mit Hypn*birthing geübt habe und erwarte schon beinahe freudig die nächste Wehe. Ich habe das Gefühl, mich völlig auf meinen Körper verlassen zu können, mich ganz fallen lassen zu können mit der Gewissheit, das alles gut ist und gut bleibt. Die ganze Zeit hält S. meine Hände und ist ganz nah bei mir. Wenn man in dieser Situation von genießen sprechen kann, würde ich schon sagen: ich genieße es.
Manchmal schiebe ich laut mit, manchmal ohne einen Ton - ohne dass ich das bewusst steuern kann. „Soooooo viele Haare!! Da sind gaaaanz viele Haare!“ höre ich plötzlich die Hebamme. „Und ganz schwarz!“ Genauso, wie ichs geträumt hab. Die Hebamme lässt mich fühlen, aber es fühlt sich komisch an. Ich frage, was das ist, kann nicht glauben, dass ich da grade die Haare unseres Babys berühre.....die nächste Wehe kommt. Es zieht und brennt und die Hebamme hält mir ein warmes, nasses Tuch auf den Damm. Das ist so angenehm!! Ein paar Mal muss ich noch schieben und plötzlich ist der Druck weg. Das Brennen und Ziehen hat aufgehört und auf meiner Brust liegt ein kleines, blau-weißes Wunder. Ein stummes „Ahh“ der Erleichterung hängt über uns. Wahnsinn!! Ich habs geschafft!! Es ist 11.58 Uhr.

A. saugt ein bisschen Fruchtwasser aus der Nase und fordert uns auf, unser kleines Wunder zu streicheln und zu rubbeln und ein bisschen anzuschubsen. Es ging so schnell, wir haben wohl beide erstmal die Luft angehalten. Es ist ein kleines Mädchen, ein wunder wunderhübsches Mädchen mit vielen langen dunklen Haaren und nach einem kurzen Moment ist sie schon ganz rosa. Sie liegt auf meinem Bauch und ich bin völlig überwältigt und halte sie nur fest. Meinem Mann kullern die Tränen über die Wangen - irgendwie ist dieses Glück überhaupt nicht zu greifen!!
Wir bestaunen die wunderschöne Nabelschnur, bevor S. sie durchschneidet. Kurz danach kommt die Plazenta.

Ich gehe duschen, während Vater und Tochter auf der extra hergerichteten Familienkuschelluftmatratze schon mal mit schmusen anfangen. Als ich wieder komme, lege ich sie an und sie trinkt gleich als hätte sie nie was anderes gemacht. (Oder hab ich erst gestillt und war dann duschen...da verschwimmt die Erinnerung...) :babyglueck:
Es ist schon wieder alles aufgeräumt und ich geduscht, als der frisch gebackene, große Bruder von der Schule heim kommt und nun endlich sein Schwesterchen begrüßen darf. Ganz seelig schaut er sie an, aber traut sich noch nicht, sie zu berühren.
Ich bin so glücklich, dass unser Großer in der Schule war, als sein Geschwisterchen kam und wir ihn nicht wegschicken mussten. Ich fand den Gedanken so komisch, dass ich ein Familienmitglied wegschicken muss, während ein anderes kommt.....
Jetzt wird die Kleine vermessen und gewogen. Sie ist 51 cm groß und wiegt 3220 Gramm.

Unsere liebe Hebamme lässt uns jetzt alleine und wir bleiben einfach auf der Familienkuschelluftmatratze liegen.
Diese Geburt war wirklich das schönste und intensivste, was ich je erleben durfte. Es war alles so perfekt, so leicht und einfach und ich bin so unfassbar glücklich! Unsere Hebamme war unglaublich, mein Mann war unglaublich!! Diese Atmosphäre werde ich nie vergessen. Die ganze Geburt war von Harmonie und Liebe begleitet und genau so ist unsere Tochter auf dieser Welt empfangen worden. Für all das bin ich so unendlich dankbar!!

Den Pool haben wir unverrichteter Dinge wieder abgebaut, aber ich hab nicht das Gefühl, was verpasst zu haben.
:herzen: :herzen: :herzen: :herzen: :herzen: :herzen: :herzen: :hausgeburt: :herzen: :herzen: :herzen: :herzen: :herzen:
großartiger großer Bruder im Dezember 2003 im Krankenhaus :herzen:
supersüße kleine Schwester im Mai 2015 zu Hause :herzen:

Miri22
Beiträge: 296
Registriert: Mi 26. Feb 2014, 21:55

Re: Der Tag, nachdem die Schildkröte kam...

Beitragvon Miri22 » Mi 8. Jul 2015, 23:30

:rosabrille: wunderbarer Bericht! :danke: Herzlichen Glückwunsch und euch alles gute :wolke:
07/11 Krümelmonster (Krankenhaus)
06/14 Räubertochter (Hausgeburt)
10/16 Babymädchen (KH Selbstbestimmt)

Benutzeravatar
HerbstMama
Beiträge: 861
Registriert: Mi 15. Apr 2015, 10:40

Re: Der Tag, nachdem die Schildkröte kam...

Beitragvon HerbstMama » Do 9. Jul 2015, 07:20

Danke für das Teilen dieses wunderbaren Berichts! Und eurer schildkrötenreichen Familie alles Gute ;)
Oktobermädchen 2015 Hausgeburt
Apriljunge 2018 Hausgeburt

Benutzeravatar
Ardilla
Beiträge: 2196
Registriert: Di 1. Mai 2012, 10:37

Re: Der Tag, nachdem die Schildkröte kam...

Beitragvon Ardilla » Do 9. Jul 2015, 08:34

:danke: für deinen Bericht
Julitochter * 2001 (ambulante Beleggeburt)
Februarkerlchen * 2005 (Hausgeburt mit KS beendet)
Julimädchen * 2011 (Hausgeburt)

Benutzeravatar
Herminette
Beiträge: 149
Registriert: Mi 17. Dez 2014, 06:56

Re: Der Tag, nachdem die Schildkröte kam...

Beitragvon Herminette » Do 9. Jul 2015, 10:18

Herzlichen Glückwunsch und ein wunderschöner Bericht.
Ich versteh nur nicht, wie man nach der Geburt duschen kann.... ich bin froh, wenn ich nach mehreren Stunden alleine auf Toilette kann.

Lottamarie

Re: Der Tag, nachdem die Schildkröte kam...

Beitragvon Lottamarie » Do 9. Jul 2015, 10:26

Das mit der Schildkröte find ich auch ganz toll. Die hat jetzt immer eine besondere Bedeutung für euch.
Danke für diesen wunderschönen Bericht. Das habt ihr ganz ganz toll gemeistert - du und dein Töchterchen! :princess: :flagge:

Ich wünsche euch noch alles Gute und gratuliere euch zur schönen :hausgeburt:

Benutzeravatar
Alvara Skjalda
Beiträge: 283
Registriert: Mo 17. Feb 2014, 18:07

Re: Der Tag, nachdem die Schildkröte kam...

Beitragvon Alvara Skjalda » Do 9. Jul 2015, 11:02

Ein wunderschöner kraftvoller Bericht! Danke für´s veröffentlichen. :wolke: :rainbow: :herzen:
Bild

Susy
Beiträge: 21
Registriert: Do 29. Jan 2015, 19:17

Re: Der Tag, nachdem die Schildkröte kam...

Beitragvon Susy » Do 9. Jul 2015, 11:52

Herzlichen Glückwunsch und ein wunderschöner Bericht.
Ich versteh nur nicht, wie man nach der Geburt duschen kann.... ich bin froh, wenn ich nach mehreren Stunden alleine auf Toilette kann.

Dankeschön!! :rainbow:

Ich fand das Duschen sehr angenehm und das erste Mal Pipimachen ging dadurch auch sehr gut. Davor hatte ich nämlich am meisten Angst, dass ich nach der Geburt nicht kann, wenn ich muss....bei meinem Sohn bekam ich damals einen Blasenkatheter und das war schrecklich!
großartiger großer Bruder im Dezember 2003 im Krankenhaus :herzen:
supersüße kleine Schwester im Mai 2015 zu Hause :herzen:

Benutzeravatar
Lavendel
Administrator
Beiträge: 1321
Registriert: Mo 13. Jan 2014, 21:30

Re: Der Tag, nachdem die Schildkröte kam...

Beitragvon Lavendel » Fr 10. Jul 2015, 21:21

:princess: Danke für den schönen Bericht. So soll es sein :flagge:
09/2007 GH, 06/2009 HG, 11/2010 HG, 10/2011 Sternchen zuhause, 08/2012 AG, 10/2014 HG, 12/2015 AG, 07/2017 AG, 12/2020 AG, 07/2021 Sternchen zuhause, 05/22 HG/AG geplant

Zwillingsmama
Beiträge: 36
Registriert: Di 1. Mai 2012, 08:38

Re: Der Tag, nachdem die Schildkröte kam...

Beitragvon Zwillingsmama » Mo 13. Jul 2015, 09:32

:hallo: :flagge: :herzen:


Zurück zu „Hausgeburtsberichte“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 17 Gäste